Dieter Nuhr: Der Teufel hat was gegen Deppen
Dem deutschen Dreiklang Frieden, Wohlstand, schlechte Laune begegnet Dieter Nuhr mit charmant vorgetragener Häme.
Krefeld. Der größte Trick des Teufels besteht bekanntlich darin, die Welt glauben zu lassen, er existiere gar nicht. So ist das auch mit Dieter Nuhr. Auf der Bühne des Seidenweberhauses lächelt er freundlich und plaudert entspannt, doch insgeheim reißt der joviale Sympath der deutschen Krisen-Republik ihre selbstmitleidige Fratze vom Gesicht. Wer Nuhr für unpolitisch hält, will offenbar nicht genau genug hinhören.
Der deutsche Dreiklang Frieden, Wohlstand, schlechte Laune bietet dem Düsseldorfer Kabarettisten zwei Stunden lang Anlass, sich charmant ans Tagesgeschehen anzupirschen und dann brutal den Würgegriff anzusetzen. Nuhr hat was gegen Deppen, und er hat richtig erkannt, dass es eine Menge davon gibt. Sie treiben eine Sau namens Schweinegrippe durchs globale Dorf, erfinden Handtaschen mit Innenbeleuchtung und gestalten Autobahntoiletten als Wellness-Tempel für Gelegenheitspinkler.
Seit seinen Solo-Anfängen im Jahr 1994 sammelt Nuhr unentwegt solche Indizien für seine einfache Grundthese: Etwas läuft gehörig daneben in diesem Land, und wer das nicht glaubt, sollte einfach mal Matratzen kaufen gehen. Was 7-Zonen-Kaltschaum mit Beckenkomfortzone betrifft, ist Nuhr unheilbar altmodisch, so sehr, dass er gelegentlich fast reaktionär wirkt. Überhaupt kann Deutschland froh sein, dass er Komiker geworden ist, nicht Polit-Agitator.
Mit brillanter Rhetorik und einer Souveränität, wie sie sonst auf diesem Sektor nur Harald Schmidt ausstrahlt, beherrscht Dieter Nuhr das Publikum, nicht nur im auswendig gelernten Programm, sondern auch im spontanen Austausch. Plumpe Albernheiten und Marotten, mit denen viele seiner Kollegen punkten, hat er nicht nötig, weil seine Texte gut sind.
Selbst wenn er die von Mario Barth und anderen Nulpen ausgetretenen Pfade des Geschlechterkampfes betrifft, läuft er auf stabilem philosophischen Untergrund, ohne vergeistigt zu wirken: Einen guten Kalauer nimmt Nuhr gerne mit ("Tante Marita ist an Heiligabend gestorben. Wir waren ganz perplex - sonst hat sie uns zu Weihnachten nie eine Freude gemacht.").
Das Publikum dankt mit Gelächter ohne Pause und tosendem Applaus am Schluss. "Tut mir leid, ich wollte nicht alles schönreden", entschuldigt sich Nuhr und grinst so, dass man es nur teuflisch nennen kann.