Eine Leseratte wird zum Autor
Zum Auftakt begeistert Sasa Stanisic, der im Krefelder Ruderclub aus seinem Roman „Vor dem Fest“ liest.
Krefeld. Ein begeisternder Auftakt für den Literarischen Sommer: Im Krefelder Ruderclub an der Bataverstraße las Sasa Stanisic aus seinem Roman „Vor dem Fest“. Davor allerdings plauderte er mit Maren Jungclaus vom Literaturhaus Düsseldorf über das Leben und das Schreiben. Mit seiner heiteren, liebenswürdigen und klugen Art nahm er das Publikum für sich ein.
In diesem Sommer, beim 15. Festival, lesen 23 Autoren an neun Orten in der deutsch-niederländischen Grenzregion. Für die Eröffnung hatten die beiden Krefelder Organisatorinnen Helga Krall (Mediothek) und Anette Ostrowski (Kulturbüro) ihren Wunschkandidaten Stanisic in den Ruderclub gelotst. Schon mittags war er mit dem Zug angekommen und hatte sich zu Fuß den Stadtwald angeeignet.
Am Tag nach der Zusage für Krefeld („Ich bin sehr gerne hierhergekommen“) hatte der junge Deutsche den Buchpreis der Leipziger Buchmesse erhalten, schon 2005 bekam er den Publikumspreis in Klagenfurt.
Stanisic wurde 1978 in Bosnien geboren, bei Kriegsausbruch 1992 floh er mit seinen Eltern nach Heidelberg. Schon als Junge war er eine Leseratte: In seinem Heimatdorf wurde er als 13-Jähriger dafür ausgezeichnet, dass er die größte Zahl an Büchern aus der Bibliothek entliehen hatte. „Wir hatten eine Klappcouch, darin konnte ich meine Bücher aufbewahren“, sagt Sasa Stanisic und schildert, wie er dann inmitten dieser Bücher schmökerte.
An seiner Schule in Heidelberg hatte er das große Glück, von einem ihm zugewandten Deutschlehrer unterrichtet zu werden: „Er hatte gesehen, dass ich ein Gedicht geschrieben hatte und sprach von da an jeden Montag und Donnerstag in der Pause eine Stunde lang mit mir über Lyrik“, sagt er dankbar. Später studierte er am Leipziger Kulturinstitut.
Sein erster Roman „Wie der Soldat das Grammofon repariert“, war ein großer Erfolg und wurde mittlerweile in 30 Sprachen übersetzt. Sein neues Buch enthält ein ganzes Bündel von Geschichten, die sich aus Erzählungen aus der Uckermark und der bosnischen Heimat speisen. „Es ist eine Wanderung durch 700 Jahre uckermärkische und bosnische Geschichte“, sagt der Schriftsteller dazu. „Ein historischer Speicher.“
Seinem Publikum las Sasa Stanisic ausgewählte Szenen vor, die in eine besondere Begegnung münden: zwischen einer Fähe und einem Hühnerzüchter, genannt Ditsche. Ungewöhnliche Blickwinkel, genaue Recherche, Humor und vor allem die Zuneigung zu seinen Figuren sprechen aus den Passagen. „Ich mag meine Figuren, das Dorf lebt weiter in mir“, sagt Stanisic.
Die erste Fassung des Romans hatte 700 Seiten, jetzt sind es 320. Schwer hat er sich von diesen Teilen getrennt: „Ich habe vier Jahre an dem Roman gearbeitet“, sagt er. So stellt Stanisic weitere Episoden aus seinem uckermärkischen Kosmos ins Netz — für seine Leser.