Schmuckstücke Eine Reise durch die Stadtgeschichte

Ein Blick hinter die Kulissen: Die Villa Merländer öffnet neben weiteren historischen Häusern am Tag des Denkmals ihre Türen.

Foto: Jochmann

Krefeld. Die Villa Merländer lässt sich mit allen Sinnen erleben. Es gibt dort Duftstationen, die jedes Zimmer so wie früher riechen lassen. Hebt der Besucher den Hörer des alten Telefons ab, spricht ein Denunziant und zeigt Bekannte an. Auf eine weiße Tür wird ein lebensgroßer Schauspieler projiziert, der aus Texten und Tagebüchern von Zeitzeugen des NS-Regimes zitiert.

Das Haus ist am Tag des Denkmals neben vielen anderen geöffnet. „Wir machen diesen Tag schon seit vielen Jahren mit“, erklären Ingrid Schupetta und Burkhard Ostrowski, die Leiter der dort untergebrachten NS-Dokumentationsstelle. „Diesmal wird er anders gestaltet, denn nun haben die Besucher nicht nur die Möglichkeit, die Führungen vom Luftschutzkeller in die oberen Wohnräume mitzumachen. Wir bieten gemeinsam mit dem Förderverein und der Bürgergesellschaft Bismarckplatz ein Erzählcafé mit Kaffee und Kuchen an. Außerdem gibt es ein Offenes Singen.“

Schupetta hat recherchiert und eine Liedauswahl getroffen, die den Besuchern mit Texten an die Hand gegeben wird. Das Duo Heike Vander, Gesang, und Markus Loerchener, Gitarre, steht zur Unterstützung bereit. Ihr gehe es darum, auch Sprach- und Musik-Denkmäler vorzustellen. So geht es beispielsweise um die Freiheit mit „Die Gedanken sind frei“, aus dem Jahr 1780.

Schupetta: „Von der Jugendbewegung zeugt das Lied ,Wildgänse rauschen durch die Nacht‘. Nazilieder wird es nicht geben.“ Die Besucher erleben das pompöse Stadthaus des Junggesellen Richard Merländer, das der Krefelder Architekt Friedrich Kühnen im Jahr 1925 baute. Er entwarf an der Friedrich-Ebert-Straße einen etwas eigenwilligen Bau mit Säulen und Stuck, in den der Auftraggeber mit seinem Personal — aber ohne seinen Freund aus Berlin — einzog.

Merländer konnte sich den Luxus leisten. Der Seidenhändler, der 1874 in Mülheim an der Ruhr zur Welt gekommen war, machte in Krefeld gute Geschäfte. „Wie das Personal, beispielsweise der Chauffeur mit Frau wohnte, zeigt folgende Tatsache: Eines ihrer kleineren Zimmer ist mit bunten Wandgemälden des Malers Heinrich Campendonk versehen. Sie werden auch jüngere Kinder begeistern. Die Bilder wurden direkt auf die Wand gemalt und zeigen einen Clown, eine tanzende Gans und eine Zirkusreiterin.“

Der ganze Raum, einschließlich der anderen Wände und dem Fußboden, habe Farben, die auf die Bilder abgestimmt sind. „Man kann mitten in einem Kunstwerk sitzen“, erklären Schupetta und Ostrowski. Da Merländer das Skatspiel liebte, lud er sich abends Freunde ein. Im ersten Stock der Villa wurden dann bei einer guten Zigarre Karten gekloppt. Und so riecht es dann auch auf Tastendruck nach frischem Tabak. Der Duft nach Kernseife verdeutlicht hingegen „Säuberung“.

Das gute Leben des Richard Merländer änderte sich, als die Nationalsozialisten die Herrschaft an sich rissen. Sie zwangen ihn wegen seiner Herkunft, die Firmenanteile aufzugeben, die Villa zu verkaufen und in ein so genanntes Judenhaus umzuziehen. Mit 68 Jahren wurde der Krefelder in das Lager Theresienstadt deportiert. Da er als nicht mehr arbeitsfähig galt, kam er in das Vernichtungslager Treblinka und starb dort.

Heute ist in der Villa die NS-Dokumentationsstelle der Stadt untergebracht. Sie öffnet am Tag des offenen Denkmals am Sonntag, 11. September, von 11 bis 17 Uhr, die Türen des pompösen Hauses an der Friedrich-Ebert-Straße 42.