Familie schenkt das schönste Heimatgefühl
Reinhard Feinendegen füllt den Begriff mit Inhalt.
Krefeld. Reinhard Feinendegen ist umgeben von Büchern. Sie stehen im Regal, stapeln sich, liegen griffbereit neben dem Schreibtisch. Die meisten der dicken Bände, Zeitschriften, Hefte, Broschüren handeln vom selben Thema: Heimat.
Reinhard Feinendegen rückt diesem großen Wort sachlich und behutsam zu Leibe, er analysiert und interpretiert, dreht und wendet es. Feinendegen ist Vorsitzender des Vereins für Heimatkunde, kein romantischer Bewahrer, sondern ein Forscher. "Heimat ist nicht nur Idylle", sagt er.
Auch mit Heimattümelei und ungebremstem Nationalstolz will der ehemalige Schulleiter nichts zu schaffen haben. "Manche denken bei Heimat sofort an Blut und Boden. Das Verbrecherische an der Definition der Nazis ist ihre Festlegung, wer Heimat haben darf und wer nicht."
Für Feinendegen hat der Begriff nichts Ausgrenzendes, Einengendes. Der 76-Jährige gehört nicht zu den Menschen, die im Mittelmeer-Urlaub erst Ruhe finden, wenn sie Würstchen mit Sauerkraut bestellen können. "Das ist keine Heimatliebe, sondern Beschränktheit." Seit seiner Pensionierung reist Feinendegen mit seiner Frau durch halb Europa - um stets mit neuen Eindrücken in seine ruhige Wohnstraße in Bockum zurückzukehren.
Als er vor 50 Jahren dorthin zog, war er für die Nachbarn ein Fremder - schließlich kam er aus Uerdingen. "Ihr müsst erst mal 30 Jahre hier wohnen, dann könnt ihr mitreden", hieß es damals. Inzwischen darf er also sagen, was er empfindet, wenn er durchs "Dorf" geht: Gelassenheit, Zufriedenheit, Erfüllung. "Hier habe ich keinen Grund, mich aufzuregen", sagt Feinendegen und ist seiner Definition von Heimat mit diesem Satz wieder ein Stück näher gekommen. "Heimat ist das Gefühl, einen festen Standpunkt zu haben statt frei durch die Luft zu vagabundieren."
Seit seiner Jugend beschäftigt sich Feinendegen mit der Idee von Heimat. Schon sein Vater war im Uerdinger Heimatbund aktiv, Berge von Literatur hat er ihm vererbt. Mit dieser privaten Bibliothek war Reinhard Feinendegen 1976 die Idealbesetzung als Vorsitzender des Heimatvereins und Herausgeber der jährlichen Zeitschrift "Die Heimat". Beide Posten will er 2009 nach 33 Jahren an Jüngere abgeben.
Feinendegen bekommt Mails aus aller Welt. Ein Mann aus Australien will alles über Krefelder Arresthäuser wissen, ein Niederländer befragt ihn zu Fremdarbeitern. Wer etwas über hiesige Heimatgeschichte wissen möchte, findet keine bessere Adresse als diesen freundlichen Herrn, der nach eigenem Bekunden schlecht Nein sagen kann.
Heimat, die Suche nach ihrer Bedeutung macht das Leben von Feinendegen reich, aber sie macht ihm auch viel Arbeit. Trotz seines Rückzugs will er noch seine Buchreihe zur Krefelder Stadtgeschichte vervollständigen und weiter für eine Abteilung für neuere Stadtgeschichte im Museum Burg Linn kämpfen.
Dennoch: Ab Frühjahr hat Feinendegen wohl mehr Zeit für seine Frau, seine drei Kinder und drei Enkelkinder. In diesem Punkt ist der Analytiker ein reiner Gefühlsmensch: "Beheimatet zu sein in einer Familie", sagt er, "ist das Schönste überhaupt."