Faszination und Irritation auf der Bühne

Die Veranstaltung Tanz NRW wurde mit einem Doppelabend abgeschlossen.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Eine tänzerische Reise und eine Studie über störanfällige Nervensysteme. Der dritte und letzte Abend des Festivals Tanz NRW in Krefeld zeigte mit zwei Stücken die Bandbreite zeitgenössischen Tanzes. Am Beginn des Abends stand eine Aufführung des neuen Formats „Sprungbrett“, einer Nachwuchsplattform für junge Künstler, um erste eigene Choreografien zu erarbeiten und zu präsentieren.

Dafür waren die Teilnehmer zu einer dreiwöchigen Residenz in Köln, Essen oder Düsseldorf eingeladen, um dort ihre Arbeit, ein maximal zwanzigminütiges Stück, zu entwickeln. „Fragments Of Nostalgia“ heißt das Werk, das der japanische Tänzer Lihito Kamiya mit Unterstützung seiner Mentorin Ulrike Möschel kreiert hat. Mit seiner Präsenz und eleganten Körpersprache beeindruckte Kamiya als Partner von Felix Bürkle bereits beim Krefelder Festivalauftakt am Donnerstag. Auf der kleinen, intimeren Studiobühne 2 der Fabrik Heeder, erzählt er in vier kurzen Sequenzen eine Geschichte vom Reisen, für die er in viele Figuren schlüpft.

Mit vier Schuhen, von denen er zwei für seine Hände benutzt, erforscht er den Raum, bewegt sich dabei wie ein Tier vierbeinig über den Boden. Er legt seine Kleider ab, spannt eine stoffliche Form zu einem Zelt auf, mit dem er in Drehbewegungen über den Boden gleitet. Mit Steinen in verschiedenen Größen kennzeichnet er imaginäre Orte.

Dann wird eine Landkarte, wie man sie aus dem Schulunterricht kennt, zu einer weiteren Aktionsfläche des Tänzers. Er schreitet sie ab, nennt dabei Orte, dann versteckt er sich unter ihr. Zum Schluss richtet er die einzige Lichtquelle, einen großen Scheinwerfer, auf den schwarzen Vorhang im Hintergrund, hinter dem er verschwindet.

Verspielt-humorvolle, aber auch poetische Ansätze stecken in dem kleinen, viel versprechenden Stück, für das der Künstler viel Applaus bekommt.

Der zweite Teil des Abends findet in der Studiobühne 1 statt, deren Raumsituation komplett verändert ist. Die Zuschauer sind in einer Reihe an vier Seiten des Raumes platziert. „Dis_Order“ heißt das knapp einstündige Stück des von Barbara Fuchs geleiteten Ensembles Tanzfuchs Produktion.

Es ist eine Art Gefühlslabor, bei dem es um Nervensysteme, Verknüpfungen und deren Störungen geht. Zwei Frauen (Odile Foehl, Ursula Nill) und ein Mann (Pietro Micci) verbinden ihre physischen Aktivitäten mit sechs Lautsprechern, die an langen dicken Kabeln befestigt sind und einen sehr wechselhaften akustischen Sound von sich geben (Komposition Jörg Ritzenhoff). Positionen werden erprobt und verworfen, menschliche Nähe wird gesucht und wieder abgelehnt. Die intensive Darbietung des Ensembles fasziniert und irritiert gleichermaßen.