tanz nrw Getanzte Gedankenfragmente

Cocoondance aus Bonn experimentiert in der Fabrik Heeder mit neuen Erzähltechniken.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Das Bonner Ensemble Cocoondance ist eine der intellektuellen Antworten in Nordrhein-Westfalen auf die zeitgenössischen Herausforderungen an die Tanzkunst. Unermüdlich arbeitet es an neuen Erzähltechniken, künstlerischen Herangehensweisen.

Einen schrägen Weg beschreiten Rafaele Giovanola (Choreographie) und Rainald Endrass (Dramaturgie) in „„Pieces of me“: Sie orientieren sich an der Struktur von DVD-Bonusmaterial mit seinen Outtakes, Produktionsnotizen, verschiedenen Ansätzen und Interviews. Die Splitter bilden ein eigenes Stück. Das Gastspiel in der Fabrik Heeder im Rahmen des Festivals tanz nrw 15 zeigte, dass das außergewöhnliche Konzept aufgeht.

Wie eine Gefangene sitzt eine Frau mit verbundenen Augen auf einem Hocker. „I“ stößt sie hervor, immer wieder, immer verzweifelter. Sie weint. Speichel tropft ihr aus dem Mund. „I love you“ bringt sie den Satz schließlich zu Ende und läuft davon. Es ist die eindringlichste Szene des Abends. Das Publikum ist so nah dran, wie es mag, denn der Raum ist aufgerissen, nur vereinzelt stehen Stühle am Rande der weißen Bühnenfläche.

Stichworte zu Raumtheorien begrenzen sie: „Möglichkeitsraum Handke 1980“, „empty space Brook 1968“ oder „Schwelle“. Ein Gestell auf Rollen mit Projektionsflächen wird herumgeschoben und strukturiert so den Raum immer neu. Die Zuschauer gehen umher, einige betreten buchstäblich das Werk und erleben jeweils ihren eigenen Film.

Als stünde man am Straßenrand und schaute auf einen belebten Platz:. Dort tummelt sich eine versprengte Gesellschaft. Die blonde Regisseurin gibt Anweisungen in ein Mikro, tanzt vor sich hin, redet über Entstehungsprozesse, philosophiert über Täter- und Opfer-Problematik.

In der Tat, Gewalt dominiert das Geschehen. Drei Männer und vier Frauen, allesamt herausragende Akteure, schreiten, tanzen, sprechen und tragen handgreifliche Konflikte miteinander aus. Immer wieder wirft sich jemand auf den Boden, bleibt unbewegt liegen, als warte er auf die Spurensicherung.

Dazu hat der Komponist Jörg Ritzenhoff einen synthetischen Soundteppich geschrieben. Verstörend sphärisch und pulsierend, treibt er das Geschehen voran. Zwingt zur Konzentration. „Pieces of me“ ist ein beeindruckender, aber auch anstrengender Perspektivwechsel.