Puppentheater Als Domina in den Pritschenkeller

Krefeld · „Fifty Shades of Gretel“, eine Reise in die Abgründe des Puppen-Universums, ist der Hit im Theater Blaues Haus.

 Das Stück „Fifty Shades of Gretel“ sorgt für ausverkaufte Häuser im Theater Blaues Haus.

Das Stück „Fifty Shades of Gretel“ sorgt für ausverkaufte Häuser im Theater Blaues Haus.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Rebellion, Sexgeschichten, Rollentausch, Ausbeutung von Künstlern, Rechtspopulismus, Demenz – im Hülser Theater Baues Haus bringen dies Kasper, Gretel und die üblichen Verdächtigen in einem Puppentheater witzig auf die Bühne. „Fifty Shades of Grey“ (2011), der Bestseller der britischen Autorin E. L. James, bietet reichlich Stoff, der sich auch herrlich als Puppentheaterstück umsetzen lässt. René Linke hat ihn seiner Bearbeitung natürlich der weiblichen Hauptrolle im Puppentheater, der Gretel, angehängt. Das Stück „Fifty Shades of Gretel“ sorgt nun im Theater Blaues Haus für ausverkaufte Bänke.

Gretel sieht die Entwicklung des Puppentheaters, in dem sie engagiert ist, ziemlich kritisch und macht sich Sorgen um dessen Zukunft. Als dezenten Hinweis stellt sie ein Buch mit dem Titel „Fifty Shades of Grey“ vor einen Spiegel. Dahin soll die Neuorientierung des Theaters gehen, um wieder Publikum anzulocken.

Großmutter warnt vor
den Kindern aus Fischeln

Doch das stößt an die Grenzen diverser Ensemblemitglieder. Zu den Altlasten des Theaters gehört die Großmutter. Da warnt die demente und rechtspopulistische alte Dame die Hülser Kinder vor Kindern aus dem Süden – aus Fischeln. An anderer Stelle moniert sie, dass es inzwischen so viele Puppen mit Köpfen aus Olivenholz gebe.

Es ist herrlich, wie Stella Jabben und Volker Schrills die Klappmaulfiguren lebendig werden lassen, wie perfekt abgestimmt die beiden Puppenspieler mit ihren Figuren gemeinsam auf der Bühne agieren, wie viel Ausdruck sie in das Spiel der einen Hand zu geben verstehen, die durch einen Hemdsärmel Teil der Puppe geworden ist.

Dabei springt das Geschehen zwischen mehreren Ebenen hin und her: Ein Spiegel liefert den Rahmen unter anderem für Zeitreisen, in denen die Puppen manchmal als kleine Kasperlepuppen agieren.

Für den klassischen Blick auf die Puppentheaterbühne gibt es einen kleinen Fernsehbildschirmrahmen oberhalb. Denn schließlich findet das buchstäblich große Geschehen des Backstage-Boulevard-Kasper-Skandal-Stücks auf der hinteren Bühne vor dem verschlossenen Vorhang statt.

Dort knallt es dann auch im übertragenen Sinne: Theaterdirektor Kasper wirft die Hälfte seines aufmüpfig gewordenen Ensembles hinaus, so auch den Räuber, der seinen Beruf an der Folkwang Hochschule studiert hat. Auch von Gretel, die seinem Liebeswerben – „seit mehr als 20 Jahren einfallsreich wie ein Sack Sägemehl“ – nicht mehr nachgeben will, trennt er sich aus Angst vor Beziehungsstress. Zudem äußert sie ja auch noch solch rebellische Vorstellungen über sein Theater. Für Gretel bedeutet der Rauswurf kein Problem. Denn sie wird bald einen neuen Job finden: Der Teufel ist glücklich, dass er eine neue Domina für seinen Pritschenkeller in der Hölle gefunden hat.

In der Pause der Vorstellung wird umdekoriert, Schlagzeilen aus der Boulevardpresse füllen den Bühnenraum. „Das Kaspertheater ist ein Irrenhaus. Wo ist Gretel?“ oder „Puppen-Me too. Kasper ist ein Macho-Schwein“ ist zu lesen. Jabben tritt nun als Sensationsreporterin auf und verstärkt die Behauptungen in der üblichen Weise für eine solche Berichterstattung.

Natürlich laufen alle turbulenten und kritischen Ereignisse auf ein gutes Ende zu. Gretel setzt sich mit ihrem Vorschlag der „Fifty Shades“ durch. Alle bekommen wieder eine Rolle im Theater. Doch welche? Das sei hier nicht verraten.