Figurentheater: Die düstere Welt von Moby Dick
Mit einem Klassiker beginnt das Figurentheater für Erwachsene. Das Puppenspiel hat von seiner Attraktivität nichts eingebüßt.
Krefeld. Schon die ganz Jungen starren fasziniert zur Bühne, wenn der Kasper seine Geschichten erzählt. Dass Figurentheater genauso gut bei Älteren funktioniert, bewies das Krefelder Kulturbüro 2009, als es mit „Budenzauber“ ein Figurentheaterfestival für Erwachsene aus der Taufe hob. Zum Auftakt des fünften Figurentheaterfestivals begrüßt Kulturdezernent Gregor Micus die Besucher der ausverkauften Premiere mit einem kleinen Plädoyer für das Puppenspiel: „Entgegen aller Befürchtungen hat das Puppenspiel das 19. und 20. Jahrhundert überlebt“, so Micus, der die „Modernität und Avantgarde des Genres“ lobt.
Das Festival, das vom Kulturbüro organisiert wird, sei, so Micus, eine perfekte Möglichkeit, „diese Kunstform mit herausragenden Stücken zu präsentieren und das Bestehen zu garantieren“. Als Premierenstück wurde von den Organisatoren des Festivals der Klassiker „Moby Dick“, inszeniert vom Theater Blaues Haus, ausgewählt.
Es ist dunkel. Unheilvoll werden einige Namen an ein großes mit Holzstäben gehaltenes, weißes Laken geworfen: Stubb, Starbuck, Queequeg, Ahab. Diejenigen unter den Zuschauern, die die Geschichte von Moby Dick noch nicht kennen, ahnen bereits, dass es für viele der Figuren kein gutes Ende nehmen wird. Dies bestätigt auch der afrikanische Schiffsjunge Pip direkt zu Beginn: „Alle sind verreckt, weil wir herzlos waren.“ Durch das Laken hindurch sieht der Zuschauer verschieden große Figuren, die mit Licht angestrahlt werden. Eine Technik, die im Verlauf des Stückes noch mehrmals angewendet wird und eine düstere Atmosphäre entstehen lässt.
Die zahlreichen Figuren spielt Volker Schrills. Der Puppenspieler perfektioniert das Spiel, in dem er den Puppen verschiedene Stimmen leiht und sich selbst vollkommen zurückhält, selbst wenn er, mit einer Puppe zusammen, vor das Laken tritt. Schrills verschwindet hinter der Figur und erweckt die Puppen zum Leben, egal ob es der naive, abenteuerhungrige Matrose Ismael oder der rachsüchtige Kapitän Ahab ist. Die mit viel Liebe zum Detail gestalteten Puppen entführen die Zuschauer ebenso in die Welt des Walfangs wie die Projektionen, für die Nils Voges verantwortlich zeichnet. Gemeinsam mit den Klangeffekten von Peter Dirkmann ist unter der Regie von René Linke ein Meisterwerk des Puppenspieles entstanden, das die Zuschauer vollkommen in die düstere Welt von Moby Dick entführt.
Ideenreiche Effekte, wie zum Beispiel die Verwendung einer Angel, mittels der Schrills den jungen Matrosen Ismael, der auf den Ausguck klettert, ins Publikum hält, sorgen ebenso für Zwischengelächter wie auch der fein portionierte schwarze Humor, der einigen Passagen zugrunde liegt. Letzten Endes zeigt das Theater Blaues Haus mit dieser überaus gelungenen Premiere, wie vielseitig die Kunst des Puppentheaters sein kann und wie überaus gelungen auch insbesondere düstere Geschichten durch die Verwendung von verschiedenen Puppen zum Leben erweckt werden.