Getanzte Träume eines tragischen Lebens
Robert North bringt das Leben des Komponisten Tschaikowskys als Tanztheater auf die Bühne.
Krefeld. Musik erklingt und der gealterte Tschaikowsky (Gian Luca Multari) steigt aus dem Orchestergraben und betritt am Ende seines Lebens die Bühne. Mit diesem starken Bild beginnt das Ballett "Tschaikowskys Träume", das jetzt im Stadttheater eine umjubelte Premiere erlebte.
Aus der Rückschau, aber nicht in strenger Chronologie erzählt Choreograf Robert North wichtige Momente und Begegnungen aus dem tragischen Leben des berühmten Komponisten. Dabei spiegeln die Emotionen der Musik sich kongenial im Tanz wieder, die Erinnerungen bekommen traumhafte Züge.
Transparente Bilder, die an impressionistische Gemälde erinnern, schaffen für die einzelnen Szenen Räume (Bühne und Kostüme Luisa Spinatelli). Wie Schleier der Erinnerung heben und senken sich die wunderbar beleuchteten Stoffbahnen. Diese eindrucksvollen Bilder ziehen den Zuschauer direkt in das Geschehen hinein.
Man erlebt Tschaikowsky als hochsensibles Kind (Vladyslav Sorokin), dem die Musik nicht mehr aus dem Kopf geht, dann die intensive Beziehung des Jugendlichen (Paolo Franco) zur Mutter (Lidija Curcic), die früh verstirbt. Viele innere Kämpfe führen zu der Entscheidung Tschaikowskys, sein Leben ganz der Musik zu widmen.
Von Anfang an ist das Schicksal in Gestalt eines dunkel gekleideten jungen Mannes mit im Spiel. Diese von Emmerich Schmollgruber mit großer Präsenz und Sensibilität getanzte Figur ist zugleich ein Hinweis auf die Homosexualität des Komponisten, der sein Leben lang darunter gelitten hat. In mehreren intensiven Pas de Deuxs machen Multari und Schmollgruber die Konflikte eindrucksvoll sichtbar. Frühe Klavierstücke, die André Parfenov im Halbschatten auf der Bühne spielt, bilden den musikalischen Hintergrund der ersten Szenen.
In der halben Stunde vor der Pause gibt es mit dem komplett vertanzten ersten Satz des Klavierkonzertes (Nr.1 b-moll) einen fulminanten Höhepunkt. Tschaikowskys Konflikt mit seinem Lehrer Rubinstein (Razvan Craciunescu) und seine katastrophale Beziehung zu seiner Ehefrau (Silvia Behnke) bilden die dramatische Handlung dazu.
Ein Genuss auch für die Ohren, denn die Niederrheinischen Sinfoniker unter Graham Jackson und Solist Parfenov laufen zur Höchstform auf. Im zweiten Teil bildet die Solovioline den elegischen Hintergrund für die Beziehung Tschaikowskys zu seiner Mäzenin Nadeshda von Meck (Karine Andrei-Sutter), der er nie persönlich begegnet ist. Die Choreografie zeigt diese Tatsache in synchronen Schrittfolgen, ohne das sich die beiden berühren.
Zu den herzzerreißenden Klängen des Adagio lamentoso aus der Sinfonie "Pathétique", deren Uraufführung der Komponist nur wenige Tage überlebte, klingt ein hinreißender Ballettabend aus. Mit jubelndem Applaus zeigte sich das Publikum von einem Abend begeistert, der selbst zum Träumen anregt. Dauer: 1 Stunde 40 Minuten, eine Pause; weitere Aufführungen am 16. Oktober, 7. und 21. November, 18. und 23. Dezember, Karten unter Ruf 805-125.