Interview mit Intendant Michael Grosse: „Die Botschaft lautet: Wir können alles“
Intendant Michael Grosse über alte Versprechen und die neue Spielzeit.
Krefeld. WZ: Herr Grosse, im ersten Interview mit der WZ vor drei Jahren haben Sie den Menschen hier „sinnliches Theater“ versprochen. Sehen Sie sich auf dem richtigen Weg?
Michael Grosse: Wir haben erreicht, was wir uns konzeptionell und handwerklich vorgenommen haben. Die Zahlen zeigen, dass sinnlich pralle Produktionen wie „Die Liebe zu den drei Orangen“ oder „Rocky Horror Show“ bei den Menschen gut ankommen.
Beim Spielplan fällt auf, dass vor allem im Schauspiel Klassiker und bekannte Stücke vorherrschen. Fehlt da ein wenig der Mut?
Grosse: Wir versuchen den Spagat zwischen Konvention und Innovation. Im Musiktheater spielen wir nur Produktionen, die hier noch nie gespielt wurden: Das finde ich mutig, das ist kein Ranschmeißer-Spielplan.
Im Schauspiel wollen wir nachvollziehbare Geschichten erzählen, daran halten wir uns: Wer die Destruktion des Dramas wünscht, muss an ein anderes Theater gehen.
Dennoch scheint mir der zweite Spielplan mutiger als der erste.
Grosse: Der erste Spielplan war sicher tastender. So oder so gilt: Die Balance muss stimmen. Wir wollen nicht der Beliebigkeit der Unterhaltung verfallen: Nur Musical, Schwank und Operette zu spielen, wäre ein Offenbarungseid. Innovatives Gegenwartstheater muss hier seinen Platz haben. Aber in Zeiten gedeckelter Zuschüsse, müssen wir — offen gesagt — auch auf die Kasse achten.
Sie beginnen die Saison mit „Figaro“ und „Faust“. Eine Botschaft?
Grosse: Dass wir in einer Spielzeit „Faust“, „Figaro“ und „Romeo und Julia“ machen, soll den Leuten sagen: Wir können alles. Ihr müsst nicht woanders hin fahren, um gutes Theater zu sehen.
Wie fällt nach einem Jahr ihr Urteil über das Ensemble aus?
Grosse: Es ist gut zusammengewachsen, die Kollegen haben eine gemeinsame Sprache gefunden. Vor allem ist das Ensemble bereit, füreinander die Manege zu kehren. Niemand verwaltet hier seine Pfründe. Und das Publikum honoriert das: Die Bindung ist hoch. Und das war ja in der Geschichte stets der Trumpf dieses Hauses.
Zur nächsten Spielzeit kommt mit ihrem ehemaligen Weggefährten Mihkel Kütson ein neuer Generalmusikdirektor ans Haus. Was versprechen Sie sich davon?
Grosse: Ich schaue erwartungsfroh darauf. Vor allem aber möchte ich dem jetzigen GMD Graham Jackson die größte Hochachtung aussprechen. Wir haben ihm musikalisch glänzende Abende zu verdanken.
Menschlich habe ich selten jemanden erlebt, der so unprätentiös und uneitel Fragen der Kunst und des Alltags — und nicht sich — in den Mittelpunkt stellt. Mihkel Kütson ist da ganz ähnlich: Er nimmt sich selbst nicht so wichtig. Und er genießt als Dirigent immense überregionale Wahrnehmung. Er wird den Sinfonikern neue Impulse bringen.