Jochen Stücke: Zeichnungen zwischen Tragik und Humor

Bilder von Jochen Stücke zu Heinrich Heines Buch „Ideen. Das Buch Le Grand“ sind derzeit in einer Ausstellung in Paris zu sehen.

Foto: VG Bild-Kunst

Krefeld. Der Rheinländer Heinrich Heine (1797-1856) zählt zu den deutschen Autoren, die in Frankreich auch heute noch sehr geschätzt sind. In der renommierten Pariser Galerie Prodromus ist einem Werk des Dichters jetzt eine eigene Ausstellung gewidmet. „Ideen. Das Buch Le Grand“ ist Teil der „Reisebilder“, die Heine zwischen 1826 und 1831 veröffentlichte. Die Galerie hat den Text in französischer Übersetzung in einer reich bebilderten Ausgabe herausgegeben. Die Zeichnungen stammen vom Künstler Jochen Stücke und sind noch bis zum Wochenende in der Galerie ausgestellt.

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Seit 2009 präsentiert die im 11. Pariser Arrondissement gelegene Galerie regelmäßig die Arbeiten des aus Münster gebürtigen Künstlers, der an der Hochschule Niederrhein seit 2002 Zeichnen, Illustration und Druckgrafik lehrt. Der thematische Schwerpunkt von Stückes Werk liegt in der französischen Geschichte, Literatur und Kunst, die er auch in seinen „Pariser Alben“ auf vielfältige Weise zum Ausdruck gebracht hat. Derzeit findet eine Ausstellung zum dritten Album unter dem Titel „Moyländer Episoden. Friedrich-Voltaire-Beuys“ im Museum Schloss Moyland statt. Auch Heines Werk ist mit der französischen Geschichte eng verknüpft. Der Dichter, der ein großer Verehrer der Französischen Revolution war, lebte ab 1831 bis zu seinem Tod in Paris. Durch seine politische Haltung, die er in seinen Schriften unmissverständlich zum Ausdruck brachte, war Heine immer wieder mit deutschen Zensurbehörden in Konflikt geraten.

Ab 1835 waren seine Schriften in Deutschland sogar verboten. Auch im neun Jahre zuvor geschriebenen „Buch Le Grand“ verspottet Heine drastisch die Zensur. So enthält das zwölfte Kapitel nur die Worte „Die deutschen Zensoren . . . Dummköpfe“, der Rest sind Striche. Im Buch von Prodromus ist diesem Kapitel eine Zeichnung Stückes an die Seite gestellt, die die „Wut des Zensors“ zeigt. Eine Figur in Rückenansicht bewegt sich in einem Chaos von fliegenden Blättern. Ein zeichnerisch brillanter Kommentar, der den spöttischen Ton Heines perfekt widerspiegelt. Auch die übrigen über 40 Zeichnungen, die der insgesamt sehr schön gestaltete Band enthält, sind keine Illustrationen im üblichen Sinn, die einzelne Szenen der Handlung abbilden. Der Künstler ist vielmehr tief in den Text, in die Zeit und in die Person Heines eingetaucht und hat aus diesen Schichten für ihn interessante Details herausgefiltert. So beschäftigt er sich mit dem Bild Heines, das andere Künstler von ihm geschaffen haben, ebenso wie mit einem einzelnen Zitat oder einer Figur. Die zentrale Figur ist Monsieur Le Grand, ein Trommler der napoleonischen Armee, dem der Ich-Erzähler in Düsseldorf begegnet. Er beschreibt die Faszination, die der Trommler auf ihn ausübt und schildert begeistert den Einzug Napoleons in die Stadt.

Das berühmte „kleine welthistorische Hütchen“ des Kaisers, das Heine erwähnt, taucht auch in einer Zeichnung Stückes auf. Hier wirkt es wie ein Spielball zwischen den großen Gestalten von Wellington und Blücher, die Napoleon bei Waterloo endgültig besiegt haben. Der „immergleiche Takt der Herrschaft“ zeigt die durch einen Riss zerstörte Trommel Le Grands, der desillusioniert aus Russland zurückgekehrt ist. In einer der eindringlichsten Szenen des Buches bittet der Tambour den Erzähler darum, die Trommel zu zerstören, da er nach der Niederlage Napoleons nie mehr trommeln will.

Doch der Text enthält auch viele Passagen in dem für Heine typischen ironischen Plauderton. Diesen Schwebezustand zwischen Tragik und Humor greift auch Jochen Stücke in seinen Zeichnungen ganz wunderbar auf.