Kabarett in Königshof: Hirn trifft Hätz un Siel

Mit dem ersten Aschermittwoch in der Brauerei ist eine Kultveranstaltung geboren.

Krefeld. Von wegen alles vorbei — Aschermittwoch geht’s erst richtig los. Der Beweis? In der Brauerei Königshof wird gelacht, bis der Biertisch wackelt und die Tränen aus den Augenwinkeln laufen. Kostüme gibt es nicht, auch keine jecke Musik, aber den Tusch improvisiert das Publikum kurzerhand per Lautmalerei. Narrenzeit war gestern, heute ist 1. Kabarettistischer Aschermittwoch.

Für den Abend, der Karneval und Comedy, Bütt und Bösartigkeit unter einen Hut bringt, hätten Betti Ixkes und Rüdiger Höfken vom Podio-Theater laut eigener Aussage locker das Dreifache der 200 Karten verkaufen können. Dieses Luxusproblem dürfte sich in den kommenden Jahren verschärfen, denn die Veranstaltung wird Kultcharakter bekommen: Sie vereint Jecken und Karnevalsmuffel, sie macht bierselig Spaß, aber eben auch nüchtern. Hirn trifft Hätz un Siel.

Die Karnevalisten jedweder Prägung bedient Oli, der Köbes, ein hochgradig professioneller Witzereißer, den man gern für gesellige Abende in seinem Freundeskreis hätte. Im „Bernsteinzimmer von Krefeld“, wie er die nur bedingt heimelige Braustube tauft, plaudert der Kellner locker drauf los, schäkert mit den Gästen und serviert Kostproben aus seinem Pointenschatz. Wie die vom Gast, der einen Strammen Max mit drei Eiern bestellt, worauf der Köbes natürlich erwidert: „Den hätte ich auch gern.“ Das Ganze wirkt mitunter so, als sei Fips Asmussen noch die Speerspitze der deutschen Comedy, aber Oli Materlik, wie der Köbes wirklich heißt, beherrscht sein Handwerk.

Das gilt auch für Gastgeber Rüdiger Höfken, gerade frisch für das Schwarze Schaf nominiert. Er ist zuständig für die aktuellen politischen Seitenhiebe, natürlich auch auf Wulff. Dessen politisches Vermächtnis hat Höfken auf dem Wühltisch bei Thalia als Mängelexemplar erstanden. Das Buch heißt: „Besser die Wahrheit“. Solche Launen der deutschen Wirklichkeit kann man als Kabarettist kaum übertreffen.

Zwei weitere Stammkünstler aus dem Podio hat Höfken noch eingeladen. Der eine, Ingo Börchers, ist ein Wortakrobat, dessen Texten man die Arbeit anmerkt, die drin steckt. Etwa, wenn er überlegt, wie Zahnarztpraxen heißen müssten, wäre diese Berufsgruppe so wortspielverliebt wie Friseure: Al Dente, Bohrturm, Zirkus Krone oder Plaque und Leder. Börchers’ Verwirrung in den Grenzbereichen von digitaler und analoger Welt strotzt vor sprachlichen Feinheiten und Absurditäten, doch im Kern wirkt sie echt.

Das unterscheidet ihn vom eher affektierten Ludger K., dem das Finale obliegt — schließlich kann es nie schaden, wenn zum Schluss ein Schlager den Saal zum Toben bringt. Bevor der gebürtige Moerser den Barden Jürgen Marcus mimt, spult er sein Programm gezielter Provokationen ab. Sein Lästern über Muslime und Mächtige trifft zielsicher die Richtigen, auch wenn es nervt, dass K. auf seine politische Unkorrektheit mächtig stolz zu sein scheint. Dabei kann das seit Harald Schmidts frühen Late-Night-Shows keinen mehr schocken.

Für den Höhepunkt sorgen übrigens die Pappköpp, die neben „Advocat“ Helmut Höffken für die Krefelder Töne zuständig sind. Ihr bräsiger Verwaltungsbeamter Nösemes erhält die Anfrage einer Touristengruppe aus Altötting, die gern Krefelds Sehenswürdigkeiten und das berühmte Nachtleben kennenlernen wollen. Wie Nösemes daraufhin die „Stadt wie Kraut und Rüben“ auseinander nimmt, ist großes Theater. Gibt’s eigentlich schon Karten für nächstes Jahr?