Selbstverteidigung Krav Maga: Mit der Hammerfaust gegen Angreifer

Immer mehr Menschen lernen Krav Maga, um sich im Notfall wehren zu können. Die WZ wagte in Mario Rütz’ Kampfschule einen Selbstversuch.

Selbstverteidigung: Krav Maga: Mit der Hammerfaust gegen Angreifer
Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Es ist spät abends. Ich komme von einer Party und bin auf dem Weg nach Hause als ich höre, wie mir jemand etwas zuruft. Ich kenne die Person nicht und laufe weiter. Ich bin alleine auf der dunklen Straße und höre Schritte hinter mir. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, ich laufe schneller. Die Schritte hinter mir kommen immer näher. Ich bekomme Angst und frage mich: Was soll ich tun, wenn mich jetzt jemand bedrängt?

Ein Dienstag im Januar. Ich bin im Tactical Concepts Trainingscenter in Krefeld, hier will ich Krav Maga lernen. „Krav Maga wurde fürs israelische Militär entwickelt“, erklärt Trainer Mario Rütz. Bei der Selbstverteidigungstechnik gehe es vor allem darum, in wenig Zeit viel zu lernen: „Die meisten unserer Schüler wollen sich schnell sicher auf der Straße fühlen“, sagt Rütz.

Beim Krav Maga wird, so erklärt Rütz, mit Szenario-Training gearbeitet. Das bedeutet, es werden realistische Szenarien nachgestellt, aus denen sich die Teilnehmer zu befreien versuchen. Das Training wird in fünf Themenbereiche aufgeteilt: Schlagen und Treten, Distanz, Bodenkampf, Alles rund ums Messer sowie Schlag und Stockwaffen: „Wir trainieren immer vier bis fünf Wochen zu einem Themenblock“, erklärt Rütz.

Zu Beginn der Stunde heißt es erst mal locker machen und wir rennen ein paar Runden im Kreis. Karsten Weiß, der heute eine Schnupperstunde macht, erzählt, dass für ihn nicht nur der sportliche Aspekt im Vordergrund stehe: „Ich musste neulich eine Situation beobachten, in der fünf Personen auf eine Person eingetreten haben. Ich habe die Polizei gerufen und auf mich aufmerksam gemacht. Es ist aber ein besseres Gefühl, wenn man weiß, wie man sich selbst verteidigen kann.“

Um ein Gefühl dafür zu bekommen, fangen wir mit einfachen Übungen an. In einer Dreier-Gruppe sollen zwei angreifen und einer soll versuchen, die Angreifer loszuwerden. Ich bin mit Rebecca Balter und Daniel Rateike in einer Gruppe. Die beiden machen Krav Maga bereits seit mehr als zwei Jahren und sind routiniert. Schnell haben sie mich eingekesselt und ich muss schauen, wie ich mich wieder befreien kann. Rebecca will vor allem sich und ihre jüngere Schwester verteidigen können, wenn mal etwas geschieht: „Seit dem ich Krav Maga mache, bin ich aber auch viel aufmerksamer, was brenzlige Situationen angeht“, sagt sie.

Bevor wir mit den Übungen am Schild anfangen, weist Rütz darauf hin, dass wir nicht mit der Faust zuschlagen sollen, sondern mit der sogenannten Hammerfaust: „Hier werden Arm und Hand als Hammer verwendet.“

Wichtig sei, dass der Daumen beim Schließen der Hand über den anderen Finger liege. Schnell merke ich, dass meine Partner routiniert sind. Während meine Schläge auf das Schild noch gefühlsmäßig leicht wirken, haut mich Daniels erster Schlag fast um. Kein Wunder, er trainiert schon seit zweieinhalb Jahren und weiß, wie er sich im Notfall verteidigen kann.

Rütz erklärt währenddessen, dass es das Hauptziel sei, die Angreifer immer auf Distanz zu halten: „Eigentlich will ich gar nicht, dass die Angreifer so nah kommen, dass ich die Hammerfaust anwenden muss. Kommen nämlich zwei Angreifer auf Nah-Distanz, kann das tödlich enden.“ Deswegen weist er auch daraufhin, dass man bei mehreren Angreifern immer auf alle Gegner gleichermaßen aufpassen muss: „Nicht mehrere Schläge auf eine Person und die andere dabei aus den Augen verlieren“, warnt Rütz, „auch wenn das im Adrenalin-Rausch nicht so einfach ist, weil man dann einen Tunnelblick hat.“

Am Ende des Trainings finden die Teilnehmer sich in einem großen Gruppen-Szenario wieder, bei dem sie mehreren Personen gleichzeitig ausweichen müssen: „Hier geht es vor allem darum, die Aufmerksamkeit zu schärfen“, erklärt Rütz. „Im Endeffekt kann man es aber nicht halbwegs realistisch trainieren, ohne sich wirklich zu verletzen.“ Natürlich passiert es trotzdem mal, dass ein Eispack hervorgeholt werden muss, aber die allererste Regel laute: Safety first, erklärt Rütz.

Zurück zur Partynacht: Ich hatte Glück. Damals bin ich in eine Seitenstraße abgebogen und schnell weggerannt, so dass nichts passiert ist. Ich bin aber froh, dass ich nun ein paar Griffe kenne und mich in Zukunft zur Not nicht allein auf mein Glück verlassen muss . . .