Komödie von Friedrich Dürrenmatt für Krefeld inszeniert „Die Physiker“ sind plötzlich Frauen
Krefeld · Verspielt. Bunt. Abstrus. So möchte Regisseurin Maja Delinić mit frischem Blick einen modernen Klassiker in Krefeld auf die Bühne bringen: Die Komödie „Die Physiker“ von Friedrich Dürrenmatt, seit ihrer Uraufführung im Jahr 1962 zum beliebten Bestandteil des Deutschunterrichts an den Schulen geworden, feiert am Samstag, 15. Oktober, 19.30 Uhr, Premiere.
„Ich habe die Komödie ernst genommen“, umschreibt die Regisseurin ihre Inszenierung, in der viel gelacht werden soll. Die schon bei Dürrenmatt verwirrende Konstellation aus drei angeblich geisteskranken Männern, die sich für Physiker halten, wobei zwei von ihnen tatsächlich Geheimagenten sind, die dem Dritten die „Weltformel“ entreißen wollen – bei Maja Delinić wird sie nochmals überdreht. Ihr Ansatz dazu ist ein Aufbrechen von Geschlechterklischees. Denn aus ihrer Sicht ist es einfach nicht mehr zeitgemäß, wenn sich auf der Bühne drei Herren über das Weltgeschehen austauschen, während sie anhimmelnde Frauen nur der Part als Krankenschwestern bleibt.
Auseinandersetzung
mit der eigenen Realität
Schon bei den ersten Überlegungen zum Stück, das eigentlich in der Spielzeit 2020/21 aufgeführt werden sollte, wollte die Regisseurin „Newton“ deshalb durch eine Frau spielen lassen. Dann kam Corona – und Delinić entschloss sich in der Zwangspause dazu, alle drei Männerrollen konsequent weiblich zu besetzen. Katharina Kurschat ist jetzt Newton/Beutler, Esther Keil ist Einstein/Ernesti und Carolin Schupa übernimmt Möbius.
Damit nicht genug: Irrenärztin (Ronny Tomiska) und Krankenschwestern (Christoph Hohmann und David Kösters) werden umgekehrt von Männern gespielt. Aus Sicht von Dramaturg Martin Vöhringer eine theaterästhetische Frage, die auch eine politische Frage ist. Die zur Auseinandersetzung mit der eigenen Realität auffordert.
Übrigens soll Dürrenmatt ursprünglich einen Mann als Leiter der Nervenheilanstalt vorgesehen haben – doch dann wollte die große Schauspielerin Therese Giehse die Rolle übernehmen und das Stück wurde ihr auf den Leib geschrieben. Auch wenn der Wahrheitsgehalt der Anekdote umstritten ist, trägt er doch perfekt zum verwirrenden Spiel mit Geschlechterrollen bei.
Wichtiges Zusammenspiel
von Text und Körper
Der Rhythmus der Inszenierung, das Zusammenspiel von Text und Körper, ist Maja Delinić nach eigenem Bekunden besonders wichtig. Sie will Augen und Ohren ansprechen – gerade auch mit Blick aufs junge Publikum. Musik (Clemens Gutjahr) und Choreographie (Pascal Merighi) übernehmen deshalb eine wichtige Rolle. An ausgewählten Stelle könne man sogar von Tanztheater sprechen, sagt Vöhringer.
Ria Papadopoulous Bühne soll die unterschiedlichen Welten der drei Physiker streng-geometrisch widerspiegeln. Doch es ist auch Raum für eine irrenärztliche Idylle mit Swimmingpool und grünem Gras.
Bezüge zur Gegenwart sind vorhanden, die bei den ersten Überlegungen zur Inszenierung noch gar nicht zu ahnen waren. Denn Dürrenmatts Komödie um die Verantwortung der Wissenschaft ist vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und eines drohenden Atomschlags entstanden. Mit dem Krieg in der Ukraine ist diese lange Zeit abstrakte Gefahr plötzlich wieder aktuell spürbar geworden.
„Die Physiker“ zählt zu den erfolgreichsten Theaterstücken seit dem Zweiten Weltkrieg und war in den 1980er Jahren sogar das am häufigsten gespielte Stück überhaupt. Am Gemeinschaftstheater Krefeld-Mönchengladbach war die Komödie bisher zweimal zu sehen, nämlich 1962/63 und 1983/84. Die nun dritte Inszenierung hatte in Mönchengladbach bereits im November 2021 Premiere.