Kultur trotz Corona Leichtigkeit – trotz Eisen und Bronze

Krefeld · Er verstand es, den gewichtigen Materialien Eisen und Bronze eine gewisse Leichtigkeit zu vermitteln. An zwei Orten in seiner Heimatstadt kann man dem spannenden Werk von Ingo Ronkholz begegnen.

Das Skulpturen-Ensemble „o.T. 1987“ von Ingo Ronkholz steht vor dem Stadthaus am Konrad-Adenauer-Platz.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Vor der Sparkasse in Hüls befindet sich die zweiteilige Skulptur „Two spheres two“, die auch den Beinamen „die dicken Kugeln von Hüls“ trägt. Gut einen Meter Durchmesser haben die beiden gusseisernen Elemente. An mehreren Stellen sind sie durch unterschiedlich geformte Öffnungen aufgebrochen, wobei die eine weit größere Einblicke gewährt als die andere. Jede für sich fordert den Betrachter heraus, sich zu bewegen, um die Skulptur von verschiedenen Standpunkten aus wahrzunehmen.

Durch die Positionierung der beiden zueinander entsteht noch eine weitere räumliche Dimension, die man ebenfalls aus der eigenen Bewegung heraus für sich erschließen sollte. Im nächsten Schritt kann man die Skulpturen wieder einzeln betrachten und die verschiedenen Öffnungen näher untersuchen. Sie sind so gemacht, dass es ein optisch sehr vielseitiges Geflecht von Einblicken und Durchblicken gibt. Vor allem die Kugel mit den größeren Öffnungen wirkt trotz der deutlich sichtbaren dicken Metallwände weniger kompakt als die andere. Diese gibt sich mit den kleineren Öffnungen geheimnisvoller und auch abweisender. Selbst im Vorübergehen wird einem dieser unterschiedliche Charakter der beiden Kugeln nicht entgehen. Es lohnt sich aber, länger zu verweilen und seiner eigenen Wahrnehmung zu folgen.

Ingo Ronkholz hat es einmal so formuliert: „Es gibt nie den Blick, der alles erfasst.“ Ein wesentlicher Teil der Skulptur müsse vom Betrachter mitgetragen werden, erst dann setze sich ein Bild des Ganzen zusammen, was es als Blick nicht gäbe. Darin sieht er den besonderen Reiz und das Potential einer Skulptur.

Das trifft auch auf ein weiteres Beispiel im öffentlichen Raum zu. Vor dem Stadthaus am Konrad-Adenauer-Platz befindet sich seit 1990 eine vierteilige Arbeit des Künstlers. Sie trägt keinen Titel und besteht aus vier verschiedenen Elementen aus geschweißten Stahlplatten, die kreisförmig angeordnet sind. Während das erste und kleinste Element von allen Seiten geschlossen ist, sind die anderen drei nach außen geöffnet.

Dabei falten sie sich stufenartig von Element zu Element weiter auf, die vierte Skulptur ist 140 cm hoch. Durch die sich steigernde Veränderung und die Anordnung auf der weitläufigen Wiese entsteht ein komplexes Beziehungsgeflecht und es entsteht ein spezieller Raum. Der Dialog mit dem Betrachter entsteht, wenn man sich aktiv zwischen diesen Skulpturen bewegt. Die Öffnungen und Faltungen wirken ihrer Schwere entgegen. Die Entwürfe zu dieser besonderen Arbeit entstanden im Rahmen eines Symposiums 1987. Die Skulptur wurde dann von der Firma Kleinewefers gefertigt und der Stadt geschenkt. 2016 machte sich der Künstler Sorgen um den Zustand und wandte sich an die Stadt. Er wies auf Mängel am Fundament und beginnenden Rost durch Staunässe hin, was beides irreparable Schäden zur Folge hätte. Doch die erforderliche Sanierung scheiterte bisher an den Finanzen. Ein aktueller Blick auf das Ensemble zeigt, dass die Situation nicht besser geworden ist. In den Öffnungen befinden sich Schmutz und Laub, und an mehreren Stellen ist bereits deutlich Rost erkennbar.

Zwei Jahre nach seinem vergeblichen Appell ist Ingo Ronkholz im Alter von erst 65 Jahren verstorben. In seiner Heimatstadt war der überregional anerkannte Künstler regelmäßig in der Galerie Christian Fochem präsent. Eine große Einzelausstellung gab es 2003 im Museum Bochum zu sehen. 2017 schenkte Ronkholz diesem Museum ein umfangreiches Konvolut seiner Zeichnungen, die in seinem Werk einen wichtigen und eigenständigen Stellenwert haben.

Als „Denkstücke für den Kopf“ bezeichnete Sepp Hiekisch-Picard, stellvertretender Direktor des Bochumer Museums, Ronkholz‘ Arbeiten. Der Künstler selbst kritisierte schon vor Jahren in einem Gespräch die zunehmende „Verflachung der Welt“. Seine Werke sind ein leidenschaftlicher Appell dagegen und verdienen es auch vor diesem Hintergrund, immer wieder neu entdeckt und auch erhalten zu werden.