Skulptur Nele, die Hornträgerin aus Bronze im Ehrenhof
Düsseldorf · Das Nashorn von Johannes Brus ist das Lieblingstier der Schüler. Die Skulptur gehört dem Kunstpalast.
Johannes Brus (78) ist ein Mann aus dem Ruhrpott. Im alten, denkmalgeschützten Wasserwerk von Thyssen-Krupp in Essen-Kettwig hat er ein riesiges Atelier mitten im Landschaftsschutzgebiet. Dort wässert er in Industrie-Wannen seine Fotos, die nichts mit der Hochglanzästhetik der Gegenwart zu tun haben. Und er produziert tonnenschwere Tiere, die aus der Zeit gefallen zu sein scheinen. Auf der Wiese im Ehrenhof liegt sein Nashorn aus patinierter Bronze.
Brus ist ein herausragender realistischer Plastiker der Gegenwart. Und die Kinder lieben sein Urviech. Wann immer sie einen Kreativkurs im Kunstpalast absolviert haben, stieben sie ins Freie und klettern auf die Skulptur neben dem Brunnen. Lehrer und Schüler des Wim-Wenders-Gymnasiums gaben ihm sogar den Namen Nele, weil das die Kurzform von Cornelia ist, die wiederum von der lateinischen Vokabel Cornu abgeleitet ist. Nele, die Hornträgerin, ist das Maskottchen im Museum.
Die Skulptur ist nicht glatt wie Werke von Tony Cragg, nicht abstrakt wie der Habakuk von Max Ernst und nicht dynamisch wie die Stahlrohr-Arbeiten von Norbert Kricke. Sie liegt schrundig und gemütlich auf dem Boden und macht nicht den geringsten Eindruck, dass sie sich möglicherweise zumindest virtuell in Bewegung setzen könnte. Sie liegt einfach da und „guckt“ aus den Augenhöhlen.
Der Künstler erklärt, was ihn am Rhinozeros gefällt: „Grundsätzlich stehen ja die Tiere dem Menschen am nächsten. Das Gemeinsame ist der Körper und das Empfinden beim Körper. Wenn ich figurativ arbeite, fasziniert mich das plastische Potenzial. Wenn ich von Kraft und Lebendigkeit im Körper spreche, dann bin ich das auch selber. Regenwürmer wäre ein Programm, das für mich sehr schnell erledigt wäre.“
Das Besondere der Oberfläche ist das Raue und Schrumpelige, das sich dennoch um den pummeligen Körper spannt. Die Arbeit entstand nicht aus einem kleinen Modell über das 3D-Verfahren oder mithilfe eines Storchschnabels. Brus modelliert. Noch heute baut er ein Gestell, das der Originalgröße des Werks entspricht, auf dem er den feuchten Ton mit den Händen und mit verschiedenen Werkzeugen aufwirft, schlägt, haut und drückt, wobei Furchen und Kratzer bleiben. Durch Positiv- und Negativgrüsse wird das Material zum Urbild eines Lebewesens.
Nele, die Bronze, hat kein Imponiergehabe wie Jan Wellem auf dem Pferd vor dem Rathaus. Merkwürdig geduckt wirkt das Ganze. Nur der Kopf hebt sich über den Gänseblümchen empor. Dennoch hat auch diese Skulptur ihr Hoheitszeichen, das Horn auf der Nase eben, und ein zweites, kleineres Horn dahinter. All das ist leicht lesbar, Brus erfindet ja nichts Neues. Das Alte, Urige scheint vielmehr seine Auferstehung zu feiern. Ein exotisches Wesen aus einer anderen, fernen Zeit.
Gern erzählt der Künstler, wie er zum Motiv gekommen ist: „Ich habe 1979 den Villa Romana-Preis gewonnen. Bei meinem Aufenthalt in Florenz entdeckte ich auf einem Trödelmarkt ein Biologiebuch mit vielen Abbildungen. Jedes Tier hatte eine Seite, die Fotos waren sehr retuschiert und stilisiert. Die Tiere passten mir gut ins Repertorie.“ Das Buch habe er noch heute und schaue immer mal wieder hinein. Dennoch kennt er sich auch im Zoo aus, wenn er sagt: „Schon als Kind haben mich meine Eltern in den Zoo in Gelsenkirchen mitgenommen. Ich war auch in Afrika, nicht nur der Nashörner wegen. Die Tiere sind nicht harmlos. Man muss sich in Acht nehmen.“ Nun ist sein Tier im Ehrenhof kein naturalistisches Abbild. So sagt der Künstler zu den Augen: „Ich habe sie reingebohrt, gekratzt, wieder aufgefüllt, bis ich den Eindruck hatte, so stimmt es.“
Die ersten Nashörner entstanden gleich nach dem Aufenthalt in der Villa Massimo, also Ende 1979, Anfang 1980. Wie viele er seitdem produziert hat, könne er nicht sagen. „Ich habe sie noch nicht gezählt. Aber in meinem Atelier steht schon das nächste, ein stehendes Nashorn. Es wird demnächst auch irgendwo platziert.“
Das Rhino im Ehrenhof schuf er 2002 und ließ es bei Kayser gießen. Im Sommer 2009 wurde es zur Brus-Ausstellung im Kunstmuseum aufgestellt, denn der damals neue Generalintendant Beat Wismer kaufte nicht nur diese Skulptur, sondern auch Fotoarbeiten, darunter auch sehr große Formate wie „Trophäenraum“ — zum Pauschalpreis und in Raten.
Brus war Professor an der Kunstakademie in Braunschweig
Schon als Student in der Bobek-Klasse an der Kunstakademie schuf Brus 1970 die ersten fotografischen Antiblätter. Noch heute erklärt er: „Die Glaubwürdigkeit der Fotografie, diese penetrante Wirklichkeitsvorführung, will ich in Zweifel ziehen“. So hantiert er mit Entwicklungs- und Fixierverfahren je nach Lust und Laune, steuert und manipuliert. Die Fotochemie ist für ihn ein Malmittel. Er kratzt, kleckst, belichtet, sorgt für Nachbelichtungen und kopiert Bilder mit- und übereinander. In seinem Atelier sind seine Wannen für die Großabzüge weiterhin in Gebrauch.
Johannes Brus war von 1986 bis 2007 Professor an der Kunstakademie Braunschweig. Zu seinen Schülern gehören u.a. Karin Kneffel, Katharina Grosse und Tim Berresheim.