Literatur: Als „Hilla Palm“ Teil der Studentenbewegung wurde

Die im rheinischen Monheim aufgewachsene Schriftstellerin Ulla Hahn las aus ihrem neuen Roman „Im Spiel der Zeit“.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Sie war großartig und wurde mit sehr herzlichem Applaus bedacht: Die fast 70-jährige Schriftstellerin und Dichterin Ulla Hahn las in der Volkshochschule (VHS) aus ihrem jüngsten Roman „Spiel der Zeit“. Kurz nach Ankündigung des „kulturellen Höhepunkts des Semesters“, wie VHS-Chefin Dr. Inge Röhnelt in ihrer Begrüßung sagte, waren die 140 Plätze schon ausverkauft.

Der Literaturwissenschaftler Theodor Pelster beschrieb Leben und Werk von Ulla Hahn. Er erinnerte an ihren Besuch in Krefeld 1989. Damals las sie aus ihrem äußerst erfolgreichen Gedichtband „Hals über Kopf“ (erschienen 1981). Kurz danach reüssierte sie auch auf dem Feld der Prosa und legte 2001 den ersten Band ihrer Trilogie um Hilla Palm vor. Diese Protagonistin trägt starke biografische Züge, sie ist Ulla Hahns anderes Ich. Pelster sagte: „Aus Erfahrung und Erfindung entsteht ein Kunstwerk, das als Roman gelesen wird.“ Und zwar als Liebes- oder Bildungsroman, als Gesellschafts- oder als politischer Zeitroman.

Dann setzte Ulla Hahn sich an ihren Tisch, packte das mit gelben Klebezetteln versehene Buch vorsichtig aus und sprach zunächst über ihre Arbeitsweise und Absichten. „Zu Erfindung und Erfahrung sind Fakten hinzugekommen“, sagte sie; sie hat für „Spiel der Zeit“ gründlich zu den 68er Jahren recherchiert. Denn Hilla Palm studiert jetzt in Köln und wird Teil der Studentenbewegung.

„Ich wollte in diesem Roman auch zeigen, was man mit Sprache machen kann“, sagt Ulla Hahn. Erzählen, beschreiben, kommentieren, dokumentieren — und auch Gedichte sind im Roman enthalten. „Durch die Komplexität war es eine große Herausforderung“, sagt sie.

Dann nahm sie ihr Publikum mit in den Kosmos der Hilla Palm und stellte zunächst das Personal im Heimatdorf Dondorf vor: Mutter und Vater, Bruder und Tante und die Nachbarinnen mit rheinischem Singsang. In einer weiteren Szene berichtet sie von Hillas erstem Besuch bei der Familie ihres Freundes Hugo Breidenbach, die fast an ihrem großbürgerlichen Dünkel ersticken. „Es gibt solche Menschen leider wirklich“, sagt die Schriftstellerin. „Verletzungen, die einem Kind zugefügt werden, hängen nicht von der Schicht ab.“ Des Onkels Satz „Darauf einen Dujardin!“ kam gut an — viele Details im Roman wecken bei den Zuhörern und Lesern eine ganz eigene Erinnerungswelt.

Ulla Hahn las dann noch Abschnitte, die sich mit der Zeitgeschichte befassen: mit dem „Sternmarsch auf Bonn“, einer Demonstration gegen die Notstandsgesetze und mit dem Katholikentag in Essen. Das Publikum war begeistert, kaufte Bücher beim kooperierenden Anderen Buchladen und stellte sich in langer Schlange an den Signiertisch.