Bauhaus-Serie Ein Hort der architektonischen Avantgarde
Krefeld · SERIE In unserer Bauhaus-Reihe widmen wir uns dem Architekten Mies van der Rohe und seinen Gebäuden in Krefeld. Ihr Stil: einfache Formen und Materialien.
Von dem Architekten und Maler Hans Poelzig (1869-1936) stammte die Formulierung für das anspruchsvolle Einfamilienhaus: So einfach wie möglich, egal was es kostet.
Mies van der Rohe war ein Architekt, der anspruchsvolle, wohlhabende Bauherren für das Moderne Bauen begeistern konnte. Der junge Steinmetz Ludwig Mies aus Aachen, der seinem Nachnamen Mies den klangvollen Mädchennamen seiner Mutter „van der Rohe“ hinzufügte, hatte jede Menge praktische handwerkliche Erfahrung im Gepäck, als er 1908 im Atelier von Peter Behrens (1868-1940) in Berlin eintraf und sofort beim Großprojekt für die AEG eingesetzt wurde. Er betrieb zu dieser Zeit exemplarische Studien zum Modernen Bauen. Hier traf er auf sechs weitere Assistenten von Peter Behrens wie Hertwig, Weyrather, Krämer, Gropius, die seinen weiteren Berufsweg mitbestimmen sollten.
Mies waren die Vokabeln der klassischen Baukunst nicht fremd, auch nicht die traditionsreichen Villen des Klassizismus in ihrer gediegenen Repräsentanz, zudem besaß er Bodenständigkeit, Durchsetzungsvermögen und eine klare Handwerkersprache.
In Krefeld war Mies in den 1930er Jahren besonders engagiert tätig. In der Zeit von 1927 bis 1930 baute er in der dortigen Wilhelmhofsallee 91 und 96 die Häuser Lange und Esters.
Beide Gebäude erscheinen in Ziegelmauerwerk, wobei es sich um eine Klinkerkleidung ohne tragende Funktion handelt. Der Großteil der tragenden Konstruktion besteht aus Stahl, wodurch fließende, großzügige Räume möglich wurden. Hohe Decken, niedrige Brüstungen und weite Öffnungen in die parkähnlichen Gärten ermöglichten in den Boden versenkbare Fensterflächen. Die Reduzierung auf eine einfache Material- und Formensprache prägen diese Villen.
Die Auftraggeber waren Direktoren der in Krefeld ansässigen Seidenwebereien. Beide versorgten Mies mit wichtigen Aufträgen. Er arbeitete an einem Fabrikgebäude für die Auftraggeber und an zahlreichen Ausstellungen für die Seidenindustrie. Für den Sohn von Hermann Lange entwarf er ein Haus, das aber, wie das Clubhaus für den Krefelder Golfclub, nicht zur Ausführung kam.
In den Sommermonaten 2013 wurde das Clubhaus für den Golfclub von Mies modellhaft im Maßstab 1:1 zum Anziehungspunkt für Kunstliebhaber und Architekten. Das begehbare Clubhaus-Modell diente temporär als Plattform für Symposien, Workshops und Kulturveranstaltungen. Eine Erinnerung an Mies und die kulturelle Identität der Seidenstadt Krefeld.
Ergänzend zu den Bauentwürfen lieferte Mies für die Krefelder Seidenproduzenten Messestände und -ausstattungen. Mies und Lilly Reich ergänzten sich perfekt: Sie betätigte sich als Möbelentwerferin und Innenarchitektin für Modemessen. Sie traf den Nerv der Zeit und ihrer Auftraggeber mit „Die Mode der Dame“ 1927 in Berlin und dem berühmten „Café Samt und Seide“, ein Messetreffpunkt und Repräsentationsraum des Krefelder Seiden-Industrieverbandes.
Überhaupt war Krefeld in jenen Jahren ein Hort Kunstsinniger und der architektonischen Avantgarde, die als sehr aufgeschlossen galt. Der Architekt Hans Poelzig war hauptsächlich für den Krefelder Textilfabrikanten und Kunstsammler Fritz Steinert tätig. Steinert war maßgeblich an der Wiedergründung des Deutschen Werkbundes nach dem Zweiten Weltkrieg 1952 beteiligt. Zusammen mit dem Düsseldorfer Architeken Hans Schwippert brachten er die erste Werkbund-Zeitung „Werk und Zeit“ heraus.
Seit 1955 wird Haus Lange und seit 1981 Haus Esters für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst durch die Kunstmuseen Krefeld genutzt. Ulrich Lange (1905-1972), der Sohn des Bauherrn, schenkte 1968 der Stadt Krefeld in einer großzügigen Geste sein Haus, um es für zeitgenössische Kunst in Krefeld zu erhalten. Von 1998 bis 2000 fand eine umfangreiche Sanierung statt. Zurzeit werden beide Häuser an der Wilhelmshofallee saniert und werden im Bauhaus-Jahr wieder geöffnet.
Die Unternehmervillen Haus Lange und Haus Esters gehören neben dem berühmten Barcelona-Pavillon, einem Wohnkomplex in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung und der Villa Tugendhat in Brünn, zum Frühwerk von Mies van der Rohe.