Modernes Märchen, das einen grübeln lässt

„Ich bin kein Stadtmusikant“ erzählt die Geschichte eines Flüchtlings, für den seine Sachbearbeiterin zur rettenden Fee wird. Premiere ist am 18. Februar im Kreschtheater.

Foto: Andreas Bischof

Natürlich ist es kein Märchen, das Helmut Wenderoth als Autor und Regisseur gerade im Kreschtheater auf die Bühne bringt. Mit seinem neuen Stück „Ich bin kein Stadtmusikant“, das er unter dem Pseudonym Jakob Nain verfasst hat, will er „Theater für die Stadtgesellschaft in Krefeld“ machen. Viele Anregungen für das Stück stammen aus dem Alltag: aus Kontakten zu Flüchtlingen, aus dem Erleben, wie unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen und Missverständnisse, Vorurteile und Klischees prächtig gedeihen.

An dieser Ideensammlung aus dem wahren Leben haben sich unter anderem auch die beiden Schauspieler Christina Beyerhaus und Predrag Kalaba beteiligt. Der aus Serbien stammende Schauspieler und Theaterpädagoge kann dabei auf seine Erfahrungen zurückgreifen — auf die Unterschiede in seinem Alltag in Moskau und in Berlin. In beiden Städten studierte er und sein Fazit: „In Berlin fühlte ich mich am zweiten Tag schon integriert, in Moskau nicht in zwei Jahren.“

Für die Schauspielerin und Theaterpädagogin Christina Beyerhaus ist es — ebenso wie für Kalaba — das erste Engagement als Schauspieler im Kreschtheater. Sie spielt die Rolle einer Sachbearbeiterin in einer Behörde. „Sonja Liebetrau denkt schon sehr in Klischees und hält sich an die Regularien,“ erzählt sie. „Aber sie zeigt sich auch sehr menschlich.“

Es wird eine komplizierte Geschichte, zwischen ihr und Marko Slavinowic alias Kalaba. Er möchte ihr etwas schenken, sie darf nichts annehmen — abgesehen davon, dass sie als Veganerin sich auch über ein totes Hähnchen nicht freut. Da kann sich Slavinowic von einer Rolle in die nächste geschoben fühlen: Obwohl der junge Mann sich manchmal wie ein Esel fühlt, gerne geschickt wäre wie eine Katze, behandelt wird wie ein alter Hund und hin und wieder einen Gockel in sich fühlt, bleibt er doch klar bei seiner Haltung: Ich bin kein Stadtmusikant.

Das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten wird für beide unfreiwillig zur abenteuerlichen Hintergrundfolie einer komischen Beziehung in einer komplizierten Welt. Um nicht den Überblick zu verlieren, schreiben die beiden Protagonisten am Ende einer Szene ihre Gedanken und Kommentare für alle lesbar auf einer großen Tafel auf.

In der zweiten Hälfte kommt noch eine weitere Spielebene dazu, wenn Beyerhaus allgemeine Informationen zur Zahl und Situation von Geflüchteten in Deutschland in den Jahren 2016 und 2017 vorliest. Kalaba trägt dann Zitate aus dem Grimm’schen Märchen von den Bremer Stadtmusikanten vor.

So sehr man es anzweifeln mag: Märchenhaftes gibt es aber auch in Krefeld in den Augen von Flüchtlingen. So kommt hier Geld aus den Wänden von Häusern. Und wie sehr eine Sachbearbeiterin für einen jungen Geflüchteten zur Märchenfee wider Willen werden kann, wie kompliziert das Leben auch im vermeintlichen Schlaraffenland ist, zeigt das Stück.

Diese Kreschtheater Produktion wird von einem Erzähltheater-Modellprojekt für internationale Klassen am Berufskolleg Vera Beckers begleitet (siehe Kasten).