Musik Musikalischer Jahreswechsel – online
Krefeld · Silvester und Neujahr sind kulturell während der Pandemie anders. So gibt es ein Neujahrs-Konzert-Video von den Niederrheinischen Sinfonikern.
Der Übergang von einem Jahr ins nächste hat auch schon unter normalen Umständen immer etwas Sonderbares. Immerhin ist dieser ominöse Kipppunkt, diese definierte Grenze im sonst so fluidem Fluss unseres Daseins, etwas hochgradig Künstliches. So wie Silvesterabende – und dies nicht erst seitdem sie von solch großen Beobachtern wie Thomas Mann in eine Zwischenwelt inszeniert wurden – auch schon immer hochgradig künstliche Situationen waren und auch sein werden.
Und wie sehr wir den Jahreswechsel mit all seinen Eigenheiten doch lieben, lieben, wie er ist und ihn unter dieser Pandemie, die eigentlich nicht mehr verdient beim Namen genannt zu werden, vermissen. Denn dieses Silvester und Neujahr sind sehr anders. In mancherlei Weise vielleicht überraschend. Nun gut, was unser Metier die Kultur anbelangt, so schmerzt mehr denn je, dass es unmöglich wurde, den Jahreswechsel, ob mit einer Silvestervorstellung oder einem noch leicht schaumend angeperlten Neujahrskonzert ganz real live mit echt tönender Musik zu begehen. Über das Live-Erlebnis geht nichts.
Viele Konzerte zum Jahreswechsel fanden medial statt
Wenngleich sehr viele Menschen auch schon vor diesem so sonderbar stillen Jahreswechsel, der aber bei genauerem Hinsehen dann doch nicht so still war, ihre „Neujahrsmusik“ durch mediale Vermittlung genossen. Ob nun aus Wien über den Fernseher oder von anderen Quellen. Dieses Jahr indes gesellen sich zu den vielen medial-musikalischen Neujahrsgrüßen, welche, die erst durch die Pandemie überhaupt denkbar geworden sind. Ein kleiner aber signalstarker Ersatz – immerhin – für ausgefallene Live-Konzerte, ob nun aus Düsseldorf oder eben auch von dem Orchester unserer Stadt, den Niederrheinischen Sinfonikern, also im Grunde vom Theater Krefeld und Mönchengladbach.
Zwar nicht als Live-Stream und in bündiger Länge von etwas mehr als 20 Minuten, aber die spritzige und sehr elegant gestaltete Video-Produktion lässt, wie schon mit anderen ähnlichen Angeboten, die Sinfoniker auch zum Jahreswechsel auf unsere Bildschirme kommen. Das Video auf dem Youtube-Kanal des Theaters war vorproduziert und schon ab dem frühen Abend des Donnerstags, 31. Dezember, abrufbar. Immerhin hatten gegen Neujahrsmittag schon über 2000 Menschen das Video auf der Plattform aufgerufen.
Es verströmt das kurze unterhaltsame Konzert unter der gut gelaunten Leitung des Generalmusikdirektors Mikhel Kütson eine optimistische, zwischen den Zeilen aber auch sanft melancholische Stimmung – just der Färbung entsprechend, die Jahreswechsel stets in uns Menschen auszulösen vermögen. Die Sinfoniker spielen spritzig, mit viel Verve Musik wie „I Feel Pretty“ aus West Side Story von Bernstein, Gershwin oder auch „Cheek to Cheek“. Solistisch verleihen dem breiten Leinwand-Sound Sopran Sophie Witte, Boshana Milkov vom Opernstudio und Tenor David Esteban charmante Akzente. Es wird leger, und diese Leichtigkeit im Ton zu treffen ist schon eine Kunst.
Es bleiben keine Zweifel daran, dass, wenn wieder mehr möglich ist, diese Musikerinnen und Musiker, und hier sei allen voran auch das Orchester genannt, mit größter Spielfreude, mit brennender Lust am Musizieren wieder werden ihre Kunst ungebremst entfalten wollen und können.
Daher ist dieses Neujahrs-Video auch ein Versprechen; und es ist ein starkes Statement: Wir sind da für Euch! In diesen Kontext passt auch wunderbar, dass erster Konzertmeister Philipp Wenger, der erste der ersten Geigen des Orchesters, sich nicht hat nehmen lassen, sich auf den warmen, vielfarbig vibrierenden Teppich „seines“ Orchesters schwebend „I Will Wait For You“ von Michel Legrand zu interpretieren. Die Musiker werden auf uns warten – und wenn es dann soweit ist, dass die Normalität wieder näher rücken darf, werden sie für uns spielen, so schön wie nie zuvor; soviel Pathos sei erlaubt.
Bis dahin lässt sich auf dem Gebiet der Kultur eines feststellen; auch wenn es derzeit keinerlei handfeste zeitliche Perspektive für kulturelles Leben in Gemeinschaft vor Ort zu geben scheint, hinter den verschlossenen Toren der Spielstätten herrscht reges Treiben. Eine Energie, die sich bald mit großer Wucht entladen wird. Denn eines hat der Jahreswechsel schon: die (wenn auch imaginäre) Magie des Neuanfangs.