Neue Serie: Schlaglichter der Sammlung - Ein Künstler mit dem Herzen eines Wissenschaftlers

Rund 450 Ölskizzen und vier Gemälde des Krefelders Adolf Höninghaus befinden sich im Besitz der Kunstmuseen.

Krefeld. Es scheint fast so, als hätten zwei Herzen in der Brust von Adolf Höninghaus geschlagen: das des Wissenschaftlers und das des Künstlers. Sein Vater war Samtfabrikant in Krefeld und ein anerkannter Mineraloge. Den Blick und die Liebe fürs Detail hat er an den Sohn weitergegeben.

Das zeigt beispielsweise die undatierte Ölskizze „An der Ruhr“ sehr gut. Mit feinem Pinselstrich hat Höninghaus die Vegetation am Fluss festgehalten. Auf jedem einzelnen Blatt sind die Adern zu erkennen. Der Betrachter entdeckt Löcher, die Insekten in die Pflanzen gefressen haben, und die Spiegelung auf der Wasseroberfläche.

„Höninghaus war ein Vertreter der Plein-Air-Malerei, die Anfang des 19. Jahrhunderts begründet wurde“, sagt Sylvia Martin, stellvertretende Direktorin der Krefelder Kunstmuseen. „Für seine Naturstudien hat er sich nach draußen begeben, um vor Ort alle Details festzuhalten und sie gegebenenfalls im Atelier zu vollenden.“

Die Skizzen, die dabei entstanden sind, scheinen einerseits dem Realismus verpflichtet. Sie wenden sich also gegen eine idealisierende Darstellung der Wirklichkeit, wie sie zum Beispiel in der Romantik gang und gäbe war. „Andererseits transportieren sie aber auch immer eine gewisse Atmosphäre, die die Emotionen anspricht“, sagt Martin.

Rund 450 dieser Ölskizzen von Höninghaus sind in der Sammlung der Kunstmuseen vorhanden, hinzu kommen noch vier Gemälde. Nach der Wiedereröffnung des Kaiser-Wilhelm-Museums im Frühjahr 2014 und den ersten beiden Sammlungspräsentationen, in denen alte auf neue Kunst trifft, ist eine Einzelausstellung zu Höninghaus geplant.

„Fast sein kompletter Nachlass befindet sich in unserem Besitz“, berichtet Martin. „Er war zwar kein Künstlerpromi und deswegen ist noch relativ wenig über ihn bekannt. Allerdings hat er zum Beispiel den Düsseldorfer Kunstverein mitgegründet und scheint eine spannende Figur gewesen zu sein, die die Kunstgeschichte des 19. Jahrhunderts bereichern wird.“ Inwieweit wird sich noch herausstellen. Denn erst mit der Vorbereitung der Ausstellung werden sich die Mitarbeiter der Kunstmuseen auf biografische Spurensuche begeben.

Besonders interessant sind dafür die unfertigen Arbeiten. Diese Veduten — sprich die wirklichkeitsgetreuen Darstellungen von Stadtbildern oder Landschaften — pendeln zwischen Naturbeobachtung und Stimmungsbild, wie die Skizze einer noch unbekannten italienischen Stadt.

Einen Teil davon hat Höninghaus bereits in Öl gemalt, der Rest ist nur mit Bleistift vorgezeichnet. „Gerade diese Werke — wahrscheinlich Ergebnisse eines Arbeitstages — verraten eine Menge über die Vorgehensweise des Künstlers“, sagt Martin. „Solche Einblicke bekommen wir nur sehr selten.“

Außerdem können die Skizzen auch als eine Art Reisetagebuch gelesen werden. Denn das 18. und 19. Jahrhundert war die Zeit der Grand Tour. Wer etwas auf sich hielt, musste nach Italien. Auch Höninghaus machte sich 1843 auf den Weg bis nach Sizilien. Und vielleicht lassen sich die einzelnen Stationen seines Abenteuers anhand seines künstlerischen Erbes nachvollziehen.