Oper: Liebe, Tod und Wahnsinn
Donizettis düsteres Drama „Lucia di Lammermoor“ feierte im Stadttheater am Donnerstagabend umjubelte Premiere.
Krefeld. Gut eine Woche ist es her, da sah man im Stadttheater das Liebespaar Aida und Radames in seinem steinernen Grab untergehen. Wo Verdis "Aida" endet, da beginnt und spielt zur Gänze die Inszenierung des Regisseurs Francois de Carpentries von Gaetano Donizettis "Lucia di Lammermoor". Bühnenbildner Siegfried E. Mayer hat den gekippten Schacht einer Gruft auf die Bühne gebaut, die Zuschauer sehen quasi vom Grunde eines Grabes hinauf in einen stürmischen Himmel.
So morbide die Idee wirkt, Mayers gekippter Schacht ist ein grandioser Raum. Zu Beginn schon streicht Sopranistin Lea-ann Dunbar in der Titelrolle wie ein Geist durch die Gruft. Ihre Geschichte ist schaurig, das Libretto (Salvatore Cammarone) nach einem Roman von Walter Scott lässt ihr und ihrer Liebe zu Edgardo (Kairschan Scholdybajew) keine Chance.
Nicht nur, dass ihr Geliebter einem verfeindeten Clan angehört, Lucias Bruder Enrico (Michael Kupfer) hat schon längst den reichen Lord Arturo (Markus Heinrich) als Bräutigam für seine Schwester ausgewählt, um mit dessen Hilfe die marode Familie zu sanieren.
Enrico gelingt es, mit einem gefälschten Brief Lucia von der Untreue Edgardos zu überzeugen. So willigt sie, wenn auch höchst verzweifelt, in die Verbindung ein, die wie eine politische Feudalhochzeit inszeniert ist. Enrico und Arturo unterzeichnen an langer Tafel einen Vertrag, dann darf auch die Zwangsverheiratete pro forma signieren. Da aber stürzt Edgardo herein, verflucht die Geliebte.
Nach der Pause sehen wir die Hofgesellschaft orgiastisch feiern, da naht Lucias Erzieher Raimondo (Matthias Wippich) mit der dramatischen Nachricht, dass Lucia ihren Mann ermordet hat. Und dann steht sie da mit blutigen Händen, singt, wofür diese Oper berühmt ist, die ebenso schwierige wie lange Wahnsinnsarie. Lucias Wahnsinn führt sie in den Tod, wohin Edgardo ihr selbstmörderisch folgt, Enrico bleibt schuldbeladen zurück - so normalerweise das Ende.
Aber Regisseur de Carpientries wollte den romantischen Aufschrei der Herzen gegen die gesellschaftlich-patriarchalen Zwänge wohl nicht ungehört verhallen lassen. Bei ihm dürfen die Liebenden noch einmal auferstehen und zueinander finden, das ist vielleicht am Ende des Guten zuviel.
Lea-ann Dunbar meistert die Höhen und vielen Koloraturen ihres Parts mit höchster Bravour, dass sie dabei zu ausdauernd in die Ferne schaut, nun ja. Schöne und vielfarbige Duette hat sie mit Michael Kupfer, auch mit Scholdybajew.
Giuliano Betta leitet die Niederrheinischen Sinfoniker souverän, wenn auch manche Tuttis etwas leiser hätten ausfallen können. Standing Ovations für das ganze Ensemble, vor allem aber für die glückstrahlende Dunbar.
140 Minuten mit Pause. Weitere Aufführungen: 30. September, 26., 31. Oktober. Karten: 805125.