Premiere: Das Brodeln im Innern
Mutter und Sohn streiten sich im Klassenraum: Das neue Kresch-Stück ist Lehrstoff fürs Leben.
Krefeld. Es ist eine Situation wie sie peinlicher nicht sein könnte. Eine Mutter verfolgt ihren Sohn bis ins Klassenzimmer, um ihn vor allen zur Rede zu stellen.
Es entwickelt sich ein Streitgespräch, bei dem bald deutlich wird, dass Alexander und seine Mutter schon lange in verschiedenen Welten leben. Erst die absurde Situation im Klassenzimmer macht eine Kommunikation wieder möglich.
"Knapp dran vorbei" heißt die neue Produktion, mit der das Kresch ab sofort in die Schulen gehen will. Die realen Klassenzimmer werden dann zur Bühne, die Schüler befinden sich mittendrin im Geschehen.
Bei der Premiere in der Fabrik Heeder ist es umgekehrt. Die Bühne ist als Klassenzimmer gestaltet, Regisseur Helge Fedder bittet anfangs die jugendlichen Zuschauer, an den Tischen Platz zu nehmen. Er selbst gibt den Lehrer, bei dem die Mutter sich ständig entschuldigt.
Silvia Westenfelder spielt sehr eindringlich eine zwischen privaten und beruflichen Pflichten zerrissene Frau, die schon lange zu ihrem Sohn keinen Zugang mehr hat. "Du bist ein blinder Fleck, bist ein egomanes Wesen", wirft sie ihm vor.
"Du bist total unecht", kontert Alexander, den Nils Beckmann als zutiefst verstockten Jugendlichen spielt, in dem es innerlich brodelt. Immer wieder klinkt er sich gedanklich aus und reflektiert sein Tun.
Das Problem ist: Diesmal hat Alexander wirklich Mist gebaut. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung flüchtet er in die absurde Lüge, es gäbe einen zweiten Alexander auf der Schule, der einen Fünftklässler misshandelt hat.
Jetzt wird die Mutter hellhörig, ein Film auf dem Handy öffnet ihr die Augen. "Jetzt müsste ich im Büro anrufen und meinen Termin absagen", sagt sie zum Schluss. Ob sie wirklich die Notbremse zieht, bleibt offen.
Wenn man von der etwas konstruierten Ausgangssituation absieht, erwartet die Schüler eine ungewöhnliche Stunde, in die Autor Daniel Rademacher viel Lehrstoff fürs Leben gepackt hat.