Publikum reist auf Hockern in die Antike
Matthias Gehrt will „König Ödipus“ nah an die Zuschauer heranholen.
Krefeld. Wer Sophokles inszeniert, betont gern, wie aktuell antike Tragödien immer noch sind. Irgendwie stimmt das sogar, und trotzdem ist es höchstens die halbe Wahrheit. Sprache, Form und Inhalte dieser Stücke könnten genau so gut von einem anderen Planeten stammen. „Eigentlich ist uns diese Literatur komplett fremd“, gibt Matthias Gehrt unumwunden zu.
Der Schauspieldirektor des hiesigen Theaters, der am Donnerstag „König Ödipus“ als Premiere in die Fabrik Heeder bringt, möchte aus dieser Not keine Tugend machen: „Den Ödipus mit Handy hatten wir schon oft genug.“
Er will sich vielmehr zur Fremdheit des Stücks bekennen: „Wir suchen nicht die Nähe, sondern betonen die Ferne. Über dem Stoff liegt die Patina von 2500 Jahren.“
Deshalb hat Gehrt für seine Inszenierung die 200 Jahre alte Übersetzung von Friedrich Hölderlin ausgewählt, wenn auch von Dramaturg Martin Vöhringer leicht entschärft. Den Schauspielern setzt er Masken auf. „Wir schaffen Distanz“, sagt Gehrt.
Im Gegensatz dazu steht jene inszenatorische Versuchsanordnung, die der Regisseur und sein Bühnenbildner Frank Hänig in der Fabrik Heeder planen. So soll das Publikum nicht frontal auf das Geschehen blicken, die Zuschauer sitzen auf drehbaren Hockern im Bühnenraum der Heeder.
„Statt das Stück polternd zu aktualisieren, möchten wir eine andere Form der Direktheit schaffen“, sagt Hänig. Das bringt Unwägbarkeiten mit sich: „Wenn ein Zuschauer unerwartet das Bein stehen lässt, hat der Schauspieler ein Problem“, so Gehrt.
Beide Macher haben die Geschichte des Ödipus, der die Mörder von König Laios sucht und dabei auf sich selbst stößt, also vom Ermittler zum Täter wird, schon zweimal zuvor inszeniert: Hänig in Dresden und den USA, Gehrt unter anderem in Afrika. Das zeigt immerhin: Ein wenig universale Bedeutung hat sich unter der Patina erhalten.
Premiere: Donnerstag, 20 Uhr, Fabrik Heeder. Weitere Termine ab 4. Juni. Karten unter Telefon 805 125.