Rückblick aufs TaZ: Hinter verzauberten Wänden

Warum im TaZ keiner heimlich verschwinden kann und was die seltsame Häufung von Bierkästen auf der Bühne zu bedeuten hat.

Krefeld. In diesem Theater bekommen auch Zuschauer ihren würdigen Abgang. Wer unzufrieden ist mit der gebotenen Leistung, kann im TaZ nicht heimlich, still und leise durch einen Seiteneingang verschwinden. Der Holzboden, der auf Metallstreben ruht, knarrt verräterisch bei jedem Schritt, wie eine vernichtende Kritik, die in Echtzeit durch den Saal bis auf die Bühne schwappt.

Nicht, dass es oft einen Anlass dafür gegeben hätte. Das Jahr im TaZ war ein gutes für die Theaterleute und ihr Publikum. "Johnny Cash - The Beast in Me", "Shockheaded Peter" oder "Jesus Christ Superstar" waren Monate im Voraus ausverkauft, selbst schwierigere Kandidaten wie das Ballett "Verschollen" oder die Oper "Untergang des Hauses Usher" wurden zu Rennern. Das Weihnachtsmärchen "Hinter verzauberten Fenstern" brachte es auf fast 70 Vorstellungen. Tag für Tag karrten Busse ganze Schulklassen heran - 16 320 Kinder hatten das Stück am Ende gesehen.

Hinter diesen Erfolgen steckte noch mehr harte Arbeit, als es am Theater ohnehin der Fall ist. So sehr sich das TaZ für das Publikum "echt" anfühlte, es blieb doch eine so liebevoll wie notdürftig umgewidmete Lagerhalle, in rekordverdächtiger Zeit umgebaut. Jedes Kabel und jedes Rohr mussten erst verlegt werden, jede Wand gebaut. Garderoben und Maske fanden in einem Containerdorf hinter dem TaZ Platz. Die Bühnentechnik war so professionell wie nötig und doch eine stetige Aufforderung zur Improvisation. Dass so vieles glatt über die Bühne lief, ist ein Triumph für die ganze Mannschaft.

Das Publikum honorierte das. Rund 80 000 Zuschauer pilgerten zum SWK-Gelände - eine Auslastung von 94 Prozent. Schon zum Tag der offenen Tür kamen tausende und ließen die Unkenrufe - zu ungemütlich, zu weit außerhalb - mit einem Schlag verstummen. Sicher: Im großen Saal machten mitunter die Akustik und weit hinten auch die Sicht Probleme. Also half sich das Publikum selbst und buchte mit Vorliebe die ungeraden Reihen: Vor denen ging jeweils eine Stufe nach unten, und freier Blick auf die Bühne war garantiert.

Der kleine Saal erfuhr ohnehin ungeteilte Zuneigung. Wo Joachim Henschke alle Exzesse und Widersprüche, Tragik und Größe der Legende Johnny Cash in sich vereinte , wo die schräge Campergemeinde aus "Avanti Dilettanti!" das Publikum zum Karaoke-Abend lud, war Theater so intim und direkt wie selten. Ein solcher Saal fehlt sonst in Krefeld, trotz mancher herausragender Studioproduktion in der Fabrik Heeder, zuletzt "The Homefront".

Mit dem Familiendrama, in dem Dosenbier in Strömen fließt, dürfte das Theater endgültig einen skurrilen Rekord gebrochen haben. Vom fallbeilartig knallenden Bierkasten in "Dantons Tod" über Cashs Rachenspüler und Romina Powers Podium bis hin zu einer ganzen Kulisse aus Holzbierkästen in "Swinging St. Pauli" wurde eine seltsame Fixierung erkennbar. Bestimmt Zufall. Oder der Stress der Umzugssaison?

Morgen Abend bei der großen Kehraus-Party darf ganz offiziell angestoßen werden auf eine anstrengende, aufregende, nervenaufreibende, verrückte Zeit. Das TaZ selbst wird danach wieder zur Lagerhalle, als wäre nichts gewesen. Dabei weiß jeder in Krefeld, dass das nicht stimmt.