Schlussapplaus: Sven Seeburg - Man ist sein eigener Psychiater

Schauspieler Sven Seeburg folgt Christian Tombeil nach Essen. Dort wird schon geprobt.

Krefeld. Abschiedsschmerz und Vorfreude halten sich bei Sven Seeburg die Waage. Der Schauspieler hat das Theater Krefeld mit dem Ende der Spielzeit verlassen. "Schade, dass diese Ära zu Ende ist", sagt er nach acht Jahren.

Allerdings: Er hat keine Sekunde gezögert, als Christian Tombeil ihn anrief. Der Stellvertreter Jens Pesels wurde als Intendant nach Essen berufen, er nimmt einige Leute aus Krefeld mit.

Auf dem Titel des Essener Spielzeitheftes wird mit einem Foto Seeburgs geworben, mit einer Möhre in Nase und Ohr, getreu dem Motto: "Mit Essen spielt man nicht". Ziemlich frech.

Sven Seeburg probt schon an seinem neuen Theater, der Übergang ist fließend. Der knapp Fünfzigjährige ist dunkel gekleidet, lässig, entschuldigt sich für die Sonnenbrille.

Als er sie abnimmt, sieht man: Lange Sommernächte können anstrengend sein. Doch das ist auch Wesenszug: Die meisten Dinge unternimmt Seeburg mit voller Kraft. Auf der Bühne und im Leben.

"Es gibt keinen schöneren Beruf", sagt er, der vorher - noch in der DDR - auf dem Bau gearbeitet hat. "Hier in Krefeld konnte ich mich auf der Spielwiese austoben."

Was nicht immer ein reines Vergnügen war. Denn Seeburg liegen die schwierigen Rollen, die Stücke mit klassischen Konflikten. Im Rückblick möchte er kein Stück hervorheben: "Jede Arbeit ist etwas Besonderes."

Schließlich nennt er doch drei: Die emotionale Schlacht der Virginia Woolf, der Kampf mit der Macht im "Hauptmann von Köpenick" und "Antigone" von Sophokles sind ihm die wichtigsten.

Sein Kreon in "Antigone" ist nicht nur ihm, sondern auch dem Publikum in bester Erinnerung. In Seeburgs Darstellung triumphieren Ideal und Räson über das Gefühl.

Neben der Präsenz schätzen die Zuschauer an Seeburg auch die klare Sprechweise, die er seiner Ausbildung in der DDR verdankt. Er gibt die Komplimente gern zurück: "Das Publikum hier mag ich sehr."

Als er im Juni zum letzten Mal in der Fabrik Heeder spielte, war er traurig. Der Abschied wird auch im richtigen Leben spürbar: "Ich habe hier Wurzeln geschlagen, Freunde gefunden." Und das nicht nur in der Theaterwelt.

Die Fragen, Sehnsüchte, Widersprüche des Lebens nimmt er mit in seine Rollen. In 22 Jahren - seit 1988 steht er auf der Bühne - hat sich seine Auffassung des Berufs entwickelt. "Hat das etwas mit mir zu tun?", fragt er sich bei der Lektüre eines Stücks.

"Kann ich die Figur an mich heranziehen?" Einer Rolle nähert er sich mit den Kollegen bei den Proben. "Die Probe ist ein geschützter Raum", sagt er. "Da kann ich mich spontan fallen lassen".

Manchmal führt diese Annäherung zu einer ganz besonderen Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich. Bei "The Homefront" hat Sven Seeburg auch dunkle Seiten in sich entdeckt.

"Ich hatte Angst vor mir selber", gesteht er ein. Seeburg denkt nach, reflektiert, äußert seine Gedanken und gibt dem Gefühl Raum: "Das ist doch das Geile an dem Beruf: Man ist sein eigener Psychiater."