Kunst in Krefeld Skilift in die Geisterwelt

Krefeld · Thomas Pöhlers atmosphärischer Kunst-Film „Marchisio“ feierte in der Krefelder Fabrik Heeder Premiere.

Ausschnitt aus dem Film „Marchisio“ von Thomas Pöhler.

Foto: Thomas Pöhler

Die Szenerien könnten eine wunderbare Kulisse für einen Horrorfilm abgeben. Nicht für jene Filme, die mit der Türe ins Haus fallen, mehr die, die beim Publikum ahnen lassen, dass hinter der scheinbaren Idylle etwas Gefahrvolles, Obskures lauert. Und in gewisser Weise versprechen auch die zunächst langsamen Kamerafahrten – die heutzutage dank Drohnen-Technik einfacher zu bewerkstelligen sind, als etwa zu Stanley Kubrick Zeiten – über vor sich hin rostende Skilifte in großzügig schöner Landschaft genug „Gruselfaktor“.

Für seinen sehr gelungenen Kunst-Film „Marchisio“, der nun in der Fabrik Heeder Premiere feierte, hat sich Künstler Thomas Pöhler, der aktuell auch im Krefelder Kunstverein ausstellt, mit verlassenen italienischen Skilandschaften beschäftigt. Davon, dass dort mal Wintersport betrieben wurde, zeugen indes nur noch rostige Gestelle mit diversen Zahn- und Umlenkrädern. Oft wirken die diversen Gerätschaften auf den schlanken Pfählen wie Köpfe oder Arme von sonderbar surrealen „Wesenheiten“.

Wie bei seinen anderen Werken auch, begibt sich Pöhler auf ästhetische Spurensuche – nur diesmal nicht festgehalten auf Fotografien, sondern in filmischer Weise. Doch bei einem rein dokumentarischen Blick auf eine erstaunlich große Vielfalt an rostigen Motiven oder auch verlassenen hotelartigen Gebäuden, bleibt es nicht. Denn die Skilandschaft, die aufgrund veränderter klimatischer Bedingungen seit Jahrzehnten ein Lost Place sein mag, wirkt auf sonderbare Art zum Leben erweckt. Durch Geräusche, perkussive Soundkulissen realisiert von Dominic Muscat (er nutzte Rahmentrommeln, Gongs, Röhren, Glocken, Klagschale, Objekte wie auch Haushaltsgeräte sowie Feldaufnahmen) und Waldo Karpenkiel (er steuerte Percussion im historischen Uerdinger Klärwerk bei), aber auch durch Stimmen (herrlich: Matthias Oelrich), die bisweilen kommentierend, nicht selten humorvoll, manchmal befremdlich, oder mysteriös aus der innersten Seele der Orte herauszukommen scheinen. Und sich die Finger in die Wunde legend, um Schnee und Ski drehen. Es sind Zitate von Sportlern sowie unterschiedlichen weiteren Menschen wie Jamey Bradbury, Thomas Dreßen, Hermann Maier, Felix Neureuther, Plinius d. Ä., Sophie Romy Renner, Linus Strasser, Luis Trenker, Lindsey Vonn, Kira Weidle sowie Florian Wilmsmann.

Aus Klang (Audiobearbeitung: Malte Menzer) und Bildsequenzen mischt Pöhler ein Gesamtkunstwerk (Dramaturgische Beratung Juliane Hahn), das den Betrachter sehr schnell in seinen Bann zieht. Man rätselt, man lässt sich hineinziehen und fragt sich zugleich auch nicht selten, was man denn nun genau eigentlich sieht – und was die Fantasie dazu steuert. Mit Dramatik, sogar Pathos – wobei die Natur eigentlich nur sich kennt, wie sie ist, und wir das Unsrige dazudenken – würzt Pöhler einzelne Klimaxe des Films. Extremwetter, Sturm und Wind, oder ein „Sich-Verlieren“ der „Leitungen“ zwischen dem Dickicht wachsender Birken. Ob die Schafsherde, die ungestört seelenruhig vor sich in grast, oder ein „Tanz“ mit oder um einen rostigen Skilift-Mast der Atmosphären und Stimmungen gibt es viele.

Es wäre sehr wünschenswert, dass der von der Kunststiftung NRW geförderte 30-minütige Film bald wieder gezeigt wird. Vielleicht sogar in einem Kino?