Strampler aus dem 18. Jahrhundert
Was zunächst als Puppenzubehör identifiziert wurde, stellte sich als Babykleidung heraus.
Krefeld. Das Jäckchen in blauer Seide ist klitzeklein — kein Wunder, dass man es bei flüchtiger Betrachtung als Puppenkleidung einschätzte. So geschah es jedenfalls, als eine Kiste mit Kleidung auf dem Dachboden des Jagdschlösschens gefunden wurde. Das war in den 1920er Jahren.
Aber die Wissenschaftler am Deutschen Textil Museum (DTM) wissen jetzt: Dieses Jäckchen wurde von einem Baby getragen und gehörte der Familie de Greiff. Es ist in Linn in der Ausstellung „Der Kinder bunte Kleider“ zu sehen. Zusammen mit einer ganzen Reihe von Textilien aus dieser Kiste, darunter auch sechs weitere Jäckchen und zwölf Häubchen. Zwei davon wurden aus demselben Stoff wie die Jacke hergestellt. Das eine ist aus drei Teilen gefertigt, das andere aus sechs.
Im Universal-Lexikon hat Uta-Christiane Bergemann nachgeschaut. „Häubchen für Mädchen werden aus drei Elementen gefertigt, für Jungen aus sechs“, hat sie herausgefunden. Sie ist Kuratorin der Ausstellung und hat die de-Greiffschen Stücke dem Barock und Klassizismus zugeordnet.
Schaut man genau hin, erzählen alle Stücke eine eigene Geschichte Das geschieht anhand von Stoff, Schnitt und Verarbeitung. Das blaue Jäckchen und das dazu passende Häubchen wurden aus blauer bestickter Seide gefertigt, bestehend aus 13 Einzelteilen. Und daraus kann man schließen: „Es wurde aus Resten zusammengesetzt, oder es war eine Zweitverwertung“, sagt Bergemann. An der unsymmetrischen Zusammensetzung lasse sich auch ablesen, dass die Stücke wohl zu Hause entstanden.
Ein weiteres Detail an der Jacke zeigt, dass es sich um Baby-Kleidung handelt: Die Jacke wird im Rücken geschlossen. „Das ist für Puppenkleider eher ungewöhnlich.“ Und noch interessanter war die Frage, warum es eine Jungs- und eine Mädchenhaube gibt.
Also forschte Bergemann auch in der Familiengeschichte der de Greiffs. Im Geschwisterkreis von Marianne und Emma de Greiff fand sie keine Zwillinge oder Geschwisterpärchen, die nahe beieinander auf die Welt gekommen waren. Aber Johannes ter Meer und seine Frau Maria, geb. Hunzinger, bekamen in den Jahren zwischen 1781 und 1797 elf Kinder. „Wahrscheinlich haben ihre Kinder diese Häubchen getragen“, vermutet Bergemann, also im späten 18. Jahrhundert.
Von späteren Jahren erzählt ein anderes Jäckchen aus der Kiste: Es wurde aus Baumwolle gearbeitet, in die grüne Glasperlen im floralen Muster eingestickt sind. Dazu fand die Kunsthistorikerin Belege aus dem frühen 19. Jahrhundert. Und so erzählen alle Stücke in der Ausstellung eine eigene Geschichte — wenn man genau genug hinschaut.