Tänzer holen Zuschauer hautnah ans Geschehen
Ilona Pászthy lässt in ihrer Choreografie intime Nähe zu — spannend, aber befremdlich.
Krefeld. Als Zuschauer im Theater befindet man sich in einer geschützten Position. Aus der dunklen Geborgenheit heraus kann man das Geschehen auf der Bühne beobachten. Für eine begrenzte Zeit wird man zum Voyeur.
Anders ist es, wenn die Grenzen zwischen Zuschauer und Akteur aufgelöst sind und man selbst mitten ins Geschehen hineingezogen wird. Diesen Weg verfolgt die Tanzreihe „I see U“ der Kölner Choreografin Ilona Pászthy, deren dritter Teil jetzt in der Fabrik Heeder zu sehen war.
Im Foyer bekommt jeder Besucher einen Zettel, auf dem ein Weg durch die Räume beschrieben ist. Im Vorraum herrscht dank Kunstrasen und grüner Wand eine spezielle Atmosphäre. Eine Tänzerin bewegt sich mit geschlossenen Augen am Boden und an der Wand entlang. Sie richtet sich auf und tastet sich durch die Zuschauermenge. Vorsichtig, fast zärtlich sind ihre Berührungen, aus dem Nichts heraus entsteht eine Intimität, die jedoch auch befremdlich bleibt.
Auf der Studiobühne wird man zum Beobachter einer weiteren intimen Situation. Ein Paar blickt sich aus einiger Distanz intensiv an, zieht sich abwechselnd an und aus. Die Bewegungen zeigen, dass die Kommunikation gestört ist. Plötzlich verlässt der Mann den Raum. Später erlebt der Zuschauer ihn im Zwiegespräch vor einem Spiegel.
Ob man will oder nicht, ist man auch bei den weiteren Aktionen stets Teil des Geschehens, Beobachter und Zuhörer. Man erlebt die Akteure hautnah in großen und kleinen Räumen, bei Licht und Dunkelheit. Bewegung, Text und Bilder, von Klängen untermalt, schaffen ständige optische und akustische Reize.
Sich darauf zu konzentrieren, ist anstrengend, und man wird ein gewisses Unbehagen bis zum Schluss nicht los. Genau das ist wohl der Zweck der einstündigen Performance, die die Auflösung von privaten und öffentlichen Situationen im heutigen Leben für den Zuschauer spürbar macht.