TaZ: Ein Ort namens Neuland
Im TaZ fällt nächste Woche der letzte Vorhang – ein Abschied mit Wehmut: Binnen eines Jahres kamen 77 000 Zuschauer.
Krefeld. In Jelkas Kantine prallen Welten aufeinander. Hier sitzen Schauspieler, Opernsänger und Verwaltungsfachangestellte, Balletttänzer und Monteure der Stadtwerke einträchtig nebeneinander und mampfen die legendären Frikadellen. Die Tage dieser seltsamen Begegnungen sind gezählt: Das Theater auf Zeit (TaZ) auf dem SWK-Gelände schließt Ende Juni für immer seine Pforten.
Von Beginn an war die Geschichte der "Ersatz-Spielstätte", wie sie bürokratisch trocken genannt wurde, von Gegensätzen geprägt. Als Generalintendant Jens Pesel und SWK-Vorstand Carsten Liedtke vor einem Jahr erstmals in der kahlen Halle standen, in der Kabeltrommeln und Rohre gelagert waren, kamen ihnen durchaus Zweifel am gemeinsamen Projekt. "Das war absolutes Neuland", erinnert sich Liedtke. "Und ehrlich gesagt: Ich konnte mir nicht vorstellen, wie daraus ein Theater werden soll."
Doch gut drei Monate später war es eins - und schon zum Tag der offenen Tür kamen tausende Neugierige. "Skeptisch betraten die Leute das Foyer", erzählt Jens Pesel. "Doch dann haben die Gesichter sich aufgehellt." Eine "unbeschwerte, beinahe aufgekratzte Atmosphäre" hat er im TaZ erspürt: "Die Menschen haben sich wohlgefühlt. Und die Künstler und Mitarbeiter auch."
Wenn der Intendant sagt, das TaZ habe alle Erwartungen übertroffen, ist das kein plumpes Marketing. Für die Krefelder war das Haus ein beliebter Anlaufpunkt: 77 000 Zuschauer kamen insgesamt. "Die Auslastung lag bei 94 Prozent", sagt Pesel. 207 Vorstellungen hat das Ensemble im kleinen und großen Saal gespielt.
Überhaupt der kleine Saal: "So etwas brauchen wir eigentlich dauerhaft", sagt Pesel. Für Stücke wie "The Beast in Me" herrschte hier die richtige intime Atmosphäre. Dennoch: Zur dauerhaften Einrichtung kann das TaZ nicht werden. "Das Theater hat bereits eine Spielstätte", sagt Carsten Liedtke. "Und der Betrieb des TaZ verursacht Kosten."
Die haben die SWK mit der Stadt verrechnet, doch natürlich auch selbst eine Menge Zeit und Mühe investiert - und dabei viel gewonnen: "Das Theater war ein sehr gern gesehener Gast", betont Liedtke. Neben "kuriosen Begegnungen" in der Kantine erinnern sich die SWKler gern an eine stimmungsvolle Weihnachtsfeier im TaZ, die Privatvorstellung des Weihnachtsmärchens und die Einladungen zu Hauptproben. "Viele Mitarbeiter haben richtig Kontakt zum Theater gefunden."
Bevor das Haus der schönen Künste wieder zur Lagerhalle und Garage wird, steht noch eine letzte rauschende Party bevor. Die Show "Best of TaZ" am 27. Juni ist bereits ausverkauft, doch wer mag, kann am späteren Abend zum Feiern kommen. Der bereits leer geräumte kleine Saal soll zur Disco werden.
Und um Mitternacht betritt Tobias Wessler als "Shockheaded Peter" die Bühne. Eigentlich spielt er an dem Abend in Wuppertal, setzt sich aber danach ins Auto und fährt nach Krefeld: Einen Abschied wie diesen möchte er nicht verpassen.