Kultur Theater hintenlinks: So war die Premiere von "Budenzauber"

Das Theater hintenlinks widmet sich im neusten Stück der dreckigen Seite des Lebens an der Pommesbude - mit Witz, Musik und Absurdität.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Die Jalousien, auf denen „Du alte Sau“ geschrieben steht, werden hochgezogen. Zum Vorschein kommt der Inbegriff des Wortes „siffig“: Alte, vergilbte Kacheln, ein schmuddeliger Kalender mit Oben-ohne-Mädchen, eine Dunstabzugshaube, die von Fett trieft und eine Kaffeemaschine, deren beste Jahre auch schon lange vorbei sind. Willkommen in der Bude um die Ecke, in der sich die komischsten Gestalten treffen und sich gegenseitig ihr Leid klagen.

Das Theater hintenlinks widmet sich im neusten Stück „Budenzauber“ vor allem der dreckigen Seite des Lebens an der Bude. Welche Gestalten sind das eigentlich, die dort täglich ihre Currywurst bestellen? Und wie sind sie dahin gekommen?

Ruslan Maximovski begleitet als Akkordeonspieler die Geschichten der einzelnen Figuren musikalisch.

Alle Protagonisten sind als traurige Clowns geschminkt. Die groteske Szenerie eines Kiosktages wird dadurch noch verstärkt. Der Zuschauer stellt sich unweigerlich die Frage, was das für „Fratzen“ sind, die dort Tag ein, Tag aus anhalten und ihre Pommes Schranke bestellen. Vor allem Fragen nach Gerechtigkeit und nach der eigenen Freiheit stehen im Mittelpunkt des Stückes.

Im Mittelpunkt des Stückes steht Anuschka Gutowski, die dem Zuschauer im Lauf des Stückes sechs verschiedene Charaktere präsentiert. Da wäre zum Beispiel eine Mutter mit Baby, die sich neuerdings zu Hause nur noch von veganer Bolognese, Tofu oder laktosefreier Milch ernähren darf. Sie ist jetzt eine Frau von Welt, aber heimlich schleicht sie zur Bude, bestellt eine Currywurst und beneidet Hilde, die Pennerin, gespielt von Birgit Neschen, die an einer Heiztonne vor der Bude hockt. Hilde kann schließlich „immer ein lecker Bierchen trinken“.

Hilde sitzt währenddessen stumm vor der Bude und liest einen Roman nach dem anderen. Erst Gedichte von Erich Kästner, dann den Tod eines Handlungsreisenden von Arthur Miller, und auch Leonce und Lena von Georg Büchner darf nicht fehlen. Hilde saß nicht immer vor der Bude. Sie hatte mal ein Leben.

Genau wie alle anderen, die sich täglich vor dem Kiosk versammeln. Verdeutlicht wird das, als alle vier Protagonisten, der Akkordeonspieler, der Budenbesitzer, gespielt von Johannes Walterfang, Hilde, und Gutowski in einer ihrer vielen Rollen, zur Tafel gehen: „Niemand ist als Tafelnutzer zur Welt gekommen. Jeder hat eine Vorgeschichte“, mahnt Gutowski.

Im zweiten Akt trifft der Zuschauer unter anderem auf einen Ausländer, der die Straße vor dem Kiosk kehrt. Ein Mensch, der all den Dreck der anderen aufräumt. Ein Mensch, durch den alle hindurchsehen und der sich dennoch ab und an in Tagträumen verliert, was passieren würde, wenn er einmal reich wäre.

Mit Witz spielt Gutowski diese traurige Szene und stimmt mit optimistischer Stimme den Evergreen „If I were a rich man“ an.

Jeder Figurenwechsel von Gutowski wird vom Akkordeonspieler mit heiterer Zirkusmusik unterstützt. Gutowski, die sich vor den Augen des Zuschauers in eine neue Figur verwandelt, unterstützt diese bizarre Szenerie durch marionettenartige Bewegungen.

Die Schminke tut ihr Übriges, um der Szene das höchste Maß an Absurdität zu verleihen.

Als die Pennerin am Ende des Stückes tot umfällt, kommt Gutowski, verkleidet als Vertreterin der Heilsarmee, auf die Bühne und singt leise „In the Ghetto“ von Elvis Presley.

Sie erinnert daran, dass wer nichts sieht, auch nicht gesehen wird. Eine Mahnung, bei der der Zuschauer sich fragt, ob Peter Gutowski bereits beim Schreiben des Stückes die aktuellen Tagesereignisse vorausahnen konnte.

Er beschreibt die Welt, in der sich niemand um jemanden anders kümmert und hinterfragt, wie er vor der Bude gelandet ist.