Unterwegs im wilden Osten

Das Kresch zeigt „Vampiru“ – ein Stück, das Raum für Sehnsüchte und verrückte Ideen lässt. Am Ende verdüstert sich die Inszenierung.

Krefeld. Für Grenzerfahrungen ist Rumänien genau das richtige Land. Zwischen Korruption und Neuaufbau, Ost-Schmuddel und den Versprechungen der EU-Mitgliedschaft, kargem Landleben und der pulsierenden Metropole Bukarest bleibt viel Raum für Sehnsüchte und verrückte Ideen. "Vampiru", die erste Aufführung der neuen Spielzeit im Kresch, fängt dieses Gefühl ein und gibt es mit unbändiger Kraft an die Zuschauer weiter.

Wer 18 ist und sich irgendwo ein Auto beschaffen kann, möchte danach gleich losfahren, die Sorgen um Lehrstelle, Existenzsicherung und Lebensweg vergessen, sich und seine Zukunft treiben lassen durch den wilden Osten Europas. Autorin Katja Hensel und Dramaturgin Ruth Heynen haben das getan, bevor sie "Vampiru" ersannen.

Zur Recherche sind sie im Zug quer durch Rumänien gereist, in die Hauptstadt und durch die Walachei. Man kann fast nachspüren, wie sie dort Ideen und Eindrücke von der Straße aufgelesen haben.

In den besten Momenten erinnert "Vampiru" an Fatih Akins großartigen Film "Im Juli", nicht rational, denn die Geschichten sind sehr verschieden, sondern im Bauch. Das Stück spielt - wie könnte es anders sein? - an einem Grenzübergang, der gleich zu Anfang unter dem Gewicht von Wolfram (Angelo Micaela) zusammenbricht.

Mit Kiki (Tina El-Fayoumy), Lope (Laura Weider) und Fischkopf (Helge Fedder) ist er mit einem alten Polo in "Vampire State" gestrandet, dem Reich von Dracula, wenn es ihn denn gibt.

Wortgewandt und doppelbödig lässt Katja Hensel ihre jungen Helden über den "Rumänen an sich" philosophieren, zanken, albern und flirten, doch irgendwann fließt Blut: "Der Ort deformiert uns. Wir verbeißen uns ineinander." Nach ausgelassenem Beginn verdüstert sich die Inszenierung von Helmut Wenderoth.

Es kommt zu Begegnungen mit einem Bauern, einem korrupten Grenzer, einem Blutbanker, einem Psychologen, der die Struktur des Stücks mal eben auf den Kopf stellt, schließlich auch mit Dracula, einer Schießbudenfigur mit falschen Zähnen und seltsamem Humor.

All diese Charaktere werden gespielt von Jens Hajek, der ein tolles Ensemble komplettiert. Jeder der jungen Darsteller hat das Lebensgefühl des Stücks in sich aufgesaugt, nicht verbissen, sondern beinahe trunken, mal melancholisch, mal euphorisch, aber immer auf den Punkt.

Die Studiobühne I der Fabrik Heeder, von Birgit Schöne mit wenigen markanten Utensilien und projizierten Fotos zur Ostzone umgestaltet, ist der perfekte Ort zum Toben, Tanzen und Träumen. Wenderoth nutzt den Raum mit all seinen Etagen und bis hinein in die Zuschauerränge.

Immer wieder bewegen sich die Darsteller mit ansteckender Energie ins Publikum, das am Ende, bestochen mit Donauwellen vom Imbiss "Pommes Schranke", begeistert applaudiert. Vielleicht sollten Katja Hensel und Ruth Heynen als nächstes einen Rumänien-Reiseführer schreiben.

Weitere Vorstellungen: 8. und 9. September, 20. bis 22. Oktober, 17. bis 19. Dezember, jeweils 10.30 Uhr, 17. Dezember auch 19 Uhr.