Krefeld US-Pianist sagt Konzert ab — Trump könnte Rückreise verbieten
Anstatt Moye Chen sitzt Tomoki Kitamura beim Kawai-Konzert am Flügel. Grund: Chen befürchtet, den Einreisebeschränkungen des US-Präsidenten zum Opfer zu fallen.
Krefeld. Aus unerklärlicher Tradition seien die Kawai-Konzerte im Mai immer schlecht besucht, sagt Philipp Potz. So auch am vergangenen Freitag, obwohl das Wetter an jenem Tag zu keinerlei Konkurrenzveranstaltungen unter freiem Himmel verführt haben dürfte. Dass der für diesen Abend vorgesehene Pianist Moye Chen auch nicht kam, war dagegen den aktuellen Einreisebeschränkungen des gewählten U.S.-Präsidenten, Donald Trump, geschuldet.
Gleich nach dessen Amtsantritt und den neuen Bestimmungen hatte der in den USA lebende Pianist das erforderliche Dokument beantragt, um nach dem Auftritt in Krefeld auch wieder in sein derzeitiges Zuhause zurückkehren zu dürfen. Doch innerhalb von gut drei Monaten war es dem an der Universität von Illinois promovierenden Musiker nicht möglich, das begehrte Papier zu erhalten.
Künstler werden in dieser Angelegenheit besonders restriktiv behandelt und so wagte es Moye Chen verständlicherweise nicht, nach Deutschland auf Konzertreise zu gehen und damit das Risiko einzugehen, anschließend nicht wieder in die USA einreisen zu dürfen. Als Ersatzmann hatte Philipp Potz den in Berlin lebenden und an der Universität der Künste (UdK) studierenden Japaner Tomoki Kitamura (Jahrgang 1991) gewinnen können.
In seiner Begrüßung wies der künstlerische Leiter schmunzelnd darauf hin, dass es nach Berlin zum Glück keine Einreisebeschränkungen mehr gibt. Da die Universität der Künste in Westberlin liegt, wäre das aber ohnehin kein Problem gewesen.
Der 26-jährige Pianist hat in den vergangenen Jahren mit Siegen bei renommierten Klavierwettbewerben auf sich aufmerksam gemacht und ließ mit seinem Spiel auch schnell erkennen, dass er wahrlich keine Notlösung war. Mit der Klaviersonate Nr. 30 in E-Dur, op. 109 von Ludwig van Beethoven beginnt er sein Konzert im halb gefüllten Helmut-Mönkemeyer-Saal der Musikschule. Klassisch klar, ohne romantisierende Interpretation spielt er das Werk, und trotzdem ist der dritte Satz mit dem Titel „Gesangvoll, mit innigster Empfindung“ eine Musik voller Gefühl und Zartheit. An der Satzbezeichnung kann keinen Takt lang ein Zweifel herrschen.
Obwohl Kitamura im Zweitfach an der UdK historische Aufführungspraxis sowie Hammerklavier und Cembalo studiert, setzt er Arnold Schönberg (geb. 1874 in Wien - gest. 1951 in Los Angeles) auf sein Programm. Es sind die sechs kleinen Klavierstücke, op. 19 aus dem Jahr 1911, die jedoch noch fern von seiner Zwölftontechnik sind und eher in der Tradition der Spätromantik stehen. Diese musikalischen Miniaturen präsentiert Kitamura mit einem überwiegend langsamen, leisen und sehr filigranen Spiel. Die minimalistischen Klänge erhalten durch die moderneren Harmonien einen besonderen Reiz; der Pianist schafft eine die Phantasie sehr anregende Musik, die Raum für viele Assoziationen gibt.
Gut ausgewählt und mit einem harmonischen Übergang folgen darauf von Frédéric Chopin 4 Mazurkas (op. 41) und die Barcarolle in Fis-Dur (op. 60). Ein großes Sortiment an Klangfarben hat er dabei auf der Palette von leiser Melancholie bis zu energischem Aufbäumen und Leidenschaft. Nach der Pause setzt er sein nuancenreiches wie ausgewogenes Spiel fort mit der Klaviersonate Nr. 3 in f-Moll (op.5) von Johannes Brahms. Sehr souverän in allen Stimmungslagen überzeugt er das Publikum, das ihm mit seinem Applaus noch eine Zugabe entlockt.