Interview Von Krefeld zu den Bühnen der Welt

Krefeld · Interview Kay Voges ging in Krefeld auf die Waldorfschule. Heute ist er Intendant in Dortmund und bald am Volkstheater in Wien.

Kay Voges hat seine Jugend in Krefeld verbracht und lange in der Stadt gelebt. Zuletzt war er Intendant in Dortmund. Nun wechselt er nach Wien.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Theatermacher Kay Voges hat lange in Krefeld gelebt, seine Jugend hier verbracht. Der Intendant des Schauspiels Dortmund und Regisseur wurde nicht zuletzt durch seine das Zeitgeschehen auf multidimensionale Art kommentiertenden Arbeiten bekannt. Anlässlich seines Wechsels an das Volkstheater Wien 2020 sprachen wir mit ihm über Krefeld, seine Kunst und was modernes Theater heute bedeuten kann oder sollte.

Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Krefeld?

Kay Voges: Ich habe in der Nähe des Schönwasserparks gewohnt, viel Zeit im Stadtwald und im Blauen Engel verbracht, bin auf die Waldorfschule in Krefeld gegangen. Ich verbinde mit Krefeld zunächst eine sehr aufregende Jugendzeit, die ich dort verbracht habe. Tatsächlich habe ich von meinem 10. bis zu meinem 37. Lebensjahr fast ohne Unterbrechungen in Krefeld gelebt.

Sie haben Ihre Theaterlaufbahn in Krefeld begonnen. Wie waren diese Erlebnisse?

Voges: Meine allerersten Theatererfahrungen habe ich bei Jens Pesel als Hospitant am Theater gesammelt und als Regieassistent in der Fabrik Heeder. Jahre später habe ich mit Klaus M. Schmidt die Neue Bühne Krefeld gegründet und habe dort „Nico – Sphinx aus Eis“ in der Fabrik Heeder inszeniert.

Aus diesen Anfängen hat sich Beachtliches entwickelt. Mit welchen Erwartungen sind Sie damals nach Dortmund gegangen?

Voges: Mit einer Menge Neugierde, wie das wohl sein wird, ein Haus zu leiten. Von Krefeld zog es mich erstmal für sechs Jahre nach Oberhausen als Regieassistent und später Hausregisseur. Dort habe ich intensive Ensemble-Arbeit am Theater kennengelernt. Als ich Intendant in Dortmund wurde, war es mir sehr wichtig, ein Ensemble zu gründen, mit dem man kontinuierlich an der Theaterkunst weiterforscht, weiterspielt und besser wird Jahr um Jahr.

Wenn Sie jetzt zurückblicken. Was hat diese Zeit in Dortmund mit Ihnen gemacht? Was hat es mit Ihrer Sichtweise auf Theater gemacht und was konnten Sie von Ihren Plänen verwirklichen?

Voges: Die zehn Jahre in Dortmund waren unglaublich lehrreiche Jahre. Das Großartige am Intendantendasein ist, dass man in dieser Position nicht nur Regisseur ist und seine eigenen Arbeiten macht, sondern von ganz vielen verschiedenen Künstlerpersönlichkeiten umgeben ist. Von denen man lernen und mit denen man sich austauschen kann. Das man Menschen um sich herum hat, mit denen man die Gegenwart und die Kunst permanent reflektieren kann. Wir haben gesagt, wir wollen mutiges Theater machen, wollen dabei nicht arrogant und selbstherrlich sein. Wollen auf einer permanenten Suche sein, was gegenwärtiges Theater bedeutet. Das haben wir geschafft, wir sind nicht müde geworden in den zehn Jahren, sondern sind dieser Suche gefolgt. Das Wunderbare und Schönste ist, dass auch das Publikum uns gefolgt ist und mit uns diesen Weg gegangen ist.

Wie kann es gelingen, ein modernes Theater auch einem Publikum schmackhaft zu machen, das vielleicht eher an traditionelle Formen gewöhnt ist?

Voges: So wie jeder große Klassiker-Autor irgendwann einmal ein Gegenwartsautor gewesen ist, der versucht hat, den Geist der Zeit zu befragen, so haben wir das auch versucht. Nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe mit den Zuschauern zu hinterfragen wie Geschichtserzählung funktioniert. Und wir haben uns sehr darauf konzentriert, was eigentlich Globalisierung, Digitalisierung oder auch die Migrationsbewegungen bedeuten und was das mit der Erzählweise zu tun hat. Wie können Künstler von heute für Menschen von heute Theater machen? Und diese Suche haben wir ganz offengelegt. Das ist keine verkopfte, sondern eine lustvoll spielerische Suche. Ich glaube, wir haben durch viele Gespräche und Hingabe geschafft, das Publikum mit ins Boot zu holen.

Teile Ihrer Familie leben in Krefeld. Wie sehen sie die Kulturszene hier?

Voges: Mein Bruder Nils Voges ist bei dem Designerkollektiv sputnic, die auch viel mit der Fabrik Heeder zusammen arbeiten.  Er inszeniert auch. Wenn man nach Hause kommt, kommt man dann doch nach Krefeld. Ich habe das Gefühl, ich kann es mir zurzeit nicht mehr anmaßen, über die Kultur in Krefeld etwas zu sagen; es ändert sich, wenn man seinen Lebensschwerpunkt verschiebt. Früher war für mich Krefeld die Welt. Je mehr man von der Welt gesehen hat, desto kleiner scheint Krefeld zu werden. Ich verfolge sehr, was musikalisch in Krefeld passiert. Es gibt noch Freunde und Weggenossen, mit denen ich gearbeitet habe.

Lassen Sie uns schließlich den Bogen nach Wien spannen.

Voges: Wien war als eine der schönsten Städte Europas immer auf meiner Landkarte. Schon die Anfrage, dass ich in diesem Winter am Wiener Burgtheater inszenieren soll, hat mich sehr gefreut. Dass es jetzt so schnell geht, dass ich demnächst dort hinziehen werde und leben werde und fünf Jahre lang ein Theaterprogramm kuratieren und inszenieren darf, war etwas, was ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt habe. Es ist sehr aufregend, was da auf mich zukommt.

In welche Richtung möchten Sie das Volkstheater in Wien lenken?

Voges: Wir wollen diese Suche nach dem Narrativ für die Gegenwart weiterverfolgen. Ein Theater für unsere Jetzt-Zeit, die digitale Moderne. Wir sehen uns als Factory. Das ist auch Tradition dieses Hauses, es ist als Opposition zur Aristokratie von den Bürgern der Stadt gebaut worden. Es war immer ein widerständiges Haus, das sich politisch eingesetzt hat für die Benachteiligten. Das soll es auch bei mir sein.