Kunst Ein Blick durchs Kulissen-Guckloch lohnt sich sehr

Krefeld · Eine Installation der Bremer Künstlerin Annemarie Strümpfler verwandelt die Pförtnerloge in der Fabrik Heeder in einen Raum voller Projektionen.

Annemarie Strümpflers Installation „Kulisse – eine Licht-Raum-Installation“ ist in der Pförtnerloge in der Fabrik Heeder zu sehen. Von innen allerdings ist diese besondere „Camera Obscura“, die auch von außen durch ein Guckloch eingesehen werden kann, besonders beeindruckend. Die äußere Szenerie wird auf Wänden und Papierbahnen durch Lichteinfall sichtbar.

Foto: Christian Oscar Gazsi Laki

Im Innenhof der Fabrik Heeder, rechts neben der Toreinfahrt, ist die ehemalige Pförtnerloge. Dort finden, kuratiert von der BBK Niederrhein mit Unterstützung des Kulturbüros, jährlich drei Ausstellungen statt. Doch zurzeit wirkt die Loge verbarrikadiert, die Fenster sind hermetisch abgedichtet, lediglich kleine Löcher sind in der Verschalung sichtbar. Und ein Guckloch, versehen mit einem schwarzen schweren Tuch, ganz ähnlich wie bei alten Fotoapparaten, das über den Kopf gestülpt werden soll. Neugierig macht diese kleine Öffnung, was sich wohl in dem Raum hinter der Abschirmung verstecken mag. Ist es vielleicht etwas, was vor den Augen von unbedarften Passanten versteckt werden muss? Oder ist es gar ein besonders hütenswertes Geheimnis?

Die Pförtnerloge wird zu einer Camera Obscura

Wagt man den Blick durch das Loch, legt den Stoff über den Kopf, um das Licht um einen herum abzuschirmen, erwartet einen ein außergewöhnlich poetischer, durchaus faszinierender Einblick. Auf von der Decke hängenden, locker arrangierten Papierbahnen sieht man etwas unscharf mehrere kleinere oder auch größere Projektionen. Bei genauerem Blick zeigt sich: Es sind Widerspiegelungen der Außenwelt um die Pförtnerloge herum. Der Blick in den verdunkelten Raum ist also ein Blick in eine mit mehreren Blend­öffnungen versehene „Camera Obscura“. Die auf wundersame oder, wenn man es physikalisch  betrachtet, auf gar nicht so mystische  Art die Außenwelt mittels Lichteinfall auf den Papierbahnen oder Wänden in Echtzeit ganz analog ohne weitere Technik abbildet.

Die Installation heißt „Kulisse – eine Licht-Raum-Installation“ und wurde von Annemarie Strümpfler für die Pförtnerloge geschaffen. Die Bremer Künstlerin komme zwar ursprünglich von der Malerei, heißt es, doch beschäftigt sie sich seit 2015 mit licht- und ortsbezogenen Installationen mittels dieser wundersamen Technik der „Camera Obscura“. In ihrem Werk für Krefeld, das bewusst mit der Vieldeutigkeit des Begriffs „Kulisse“ spielend auch Bezüge zum in der Fabrik Heeder ansässigen Theater zulässt, gelingt ihr nicht nur eine ästhetisch ansprechende und neugierig machende Szenerie zuschaffen, sondern den Betrachter auch zu reflektiven Gedanken zu animieren. Diese kreisen um die Kulissenhaftigkeit von Realität, um Assoziationen zu Platons Höhlengleichnis, bei dem die Menschen nur Projektionen der „wahrhaftigen Realität“ als ihre Realität vorgegaukelt bekommen.

„Kulisse“ bildet das, was um die übergroße begehbare Camera passiert, in sich als mehrschichtige Licht-Studie ab. Alles in dem Moment, in dem es passiert: Es fahren Autos vorbei, Menschen gehen, Blätter bewegen sich. Realität also, die sich durch Licht auf den Kopf gestellt in einem hermetischen Raum als Geheimnis gebärdet. Im Alltag bleibt dem Betrachter nur der neugierige Blick durch das Guckloch, phasenweise wird der Raum geöffnet und das Publikum wird Teil des Innern, Teil der Camera.

Diese Art von „Live-Filme“ lassen die Realität kulissenhaft erscheinen. Die aber dennoch keine wirklichen Filme sind, weil Filme immer ein Produkt und die laufenden Bilder hier nur ein durch geschickte Positionierung von Projektionsflächen und Blendöffnungen gesteuerte Phänomene sind.

„What is behind“ – der Text, der durch Anbringen von Buchstaben vor die Blenden in einigen der Projektionen sichtbar wird, liefert einen wertvollen Hinweis zum Schlüssel: Was ist dahinter? Was ist hinter unserer scheinbar so „realen“ Realität. In der dunklen Kammer der Camera steht sie Kopf und wirkt gerade dadurch künstlich, obwohl sie es nicht ist. Wird aber dadurch zur Kunst, zu einer Aussage über sich selbst. Eine Installation, über die es sich gut philosophieren lässt. Ein Blick durch das Guckloch lohnt jedenfalls sehr.