"Warten Sie nicht, bis ich kindisch werde"

Katalin Zsigmondy und August Zirner lesen aus dem Briefverkehr zwischen George Sand und Gustave Flaubert.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Für das Sprichwort, dass Gegensätze sich anziehen, sind sie der beste Beweis. Keine Liebesbeziehung, aber eine tiefe Freundschaft verband die beiden französischen Literaturgrößen George Sand und Gustave Flaubert. Über 400 Briefe, die zwischen 1863 und 1876 entstanden sind, belegen das eindrucksvoll.

Schauspielerin Katalin Zsigmondy hat aus dieser Materialfülle eine lesetaugliche Fassung erstellt, die sie jetzt gemeinsam mit ihrem Mann August Zirner in der Jüdischen Gemeinde vortrug. In ihrer kurzen Einführung hob Zsigmondy die Gegensätze der Persönlichkeiten heraus, die sich bereits in ihren Lebensumständen manifestiert.

Als sie sich 1863 kennenlernen, ist Sand fast 60 Jahre alt, Flaubert erst Anfang 40. Er lebt als eingefleischter Junggeselle in Croisset bei Rouen, sie auf ihrem Landgut im südlich von Paris gelegenen Nohant im Kreise ihrer Familie.

Er begegnet nach dem Skandal um seinen Roman „Madame Bovary“ seiner Umwelt mit Skepsis, aus der im Lauf der Jahre eine immer größere Verbitterung wird. „Ich bin alt. Besuchen Sie mich und warten Sie nicht, bis ich kindisch werde!“, fordert hingegen George Sand in einem ihrer ersten Briefe.

Flaubert nennt sie liebevoll seine „teure Meisterin“, für die er eine „besondere Zärtlichkeit“ und „große Achtung“ hegt. Lebensbejahend und optimistisch übernimmt sie in der Freundschaft die Position der mütterlichen Ratgeberin, die den zur Depression neigenden Künstler immer wieder aufmuntert. Flaubert klagt dagegen über das Alter und stellt sarkastisch fest: „Ich bin nicht für das Leben geschaffen.“

Noch spannender als dieses amüsante Geplänkel sind für den Zuhörer von heute die Äußerungen zur damaligen Politik. Während Flaubert die Demokratie verachtet, tragen Sands politische Ideale sogar kommunistische Züge. Die Erfahrung des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71 gibt beiden Anlass, ihre Abscheu gegenüber Gewalt und Hass zu betonen. Erschreckend visionär sind ihre Befürchtungen, dass es zukünftig noch schlimmere Kriege geben könnte. George Sand stirbt 1876.

Mit leicht kauzigem Anstrich gibt Zirner den schwierigen Schriftsteller, während Zsigmondy die mütterliche Wärme und innere Jugendlichkeit der Sand in den Mittelpunkt stellt — Unterhaltung auf hohem Niveau.