Museums-Serie Wenn Skulpturen zu Fotomodels werden
Serie | Krefeld · Wir stellen Räume der neuen Sammlungspräsentation der Kunstmuseen Krefeld vor. Diesmal trifft Bildhauerei Auguste Rodins auf Lichtbilder Eugène Druets.
Die milchweiße, seidige Marmorhaut von Rodins Skulpturen wirkt so fließend weich, dass man sie am liebsten mit zarter Hand streicheln würde. Nun – erstens ist das Anfassen bei den schönen Körpern von Rodins Kunst im Museum schon allein deshalb verboten, weil sie eben dort, in einem Museum, ausgestellt sind. Und in Museen ist Anfassen aus gutem Grund nicht erwünscht – zumeist.
Und selbst wenn man verbotenerweise sich anmaßen würde Hand anzulegen, so wäre von der weichen lauen Anmutung wenig übrig. Oft in kaltem Marmor formte das französische Bildhauer-Genie seine Figuren, die dann doch eine andere Wahrnehmung suggerieren. Eine, die über das rein Materielle in eine gewisse Transzendenz hinüberreicht. Und nicht zu vergessen, wo Hell ist, gehört auch Dunkel dazu – Rodin wurde auch durch Schreckensbilder wie sein Höllentor berühmt. Was alle Werke eint: Sie haben mehr an sich, als nur behauener Stein, oder Bronze zu sein.
Krefelder Bürger schenkte 1900 Rodins „Eva“ dem Museum
Dass Rodins Skulpturen hierbei meisterhaft mit Licht und Schatten, mit dem Spiel der Wahrnehmung jonglieren, vergleichbar mit den Rahmenbedingungen von Fotografie, ist nicht der einzige Grund, wieso in dem Raum „Im und mit Licht“ in der Sammlungspräsentation der Kunstmuseen Krefeld Fotos mit seinem Werk „Eva“ gemeinsam in einem Raum zu sehen sind. Dieses Werk übrigens schenkte ein Krefelder Bürger – so weiß das Museum zu berichten – 1900 dem Kaiser-Wilhelm-Museum. Doch was haben Fotos damit zu tun? Wieso das überrascht? Unter dem Motto 15 Räume 15 Geschichten zeigt das Kaiser-Wilhelm-Museum ausgewählte Werke aus seiner Sammlung in einer neu zusammengestellten Ausstellung, bei der jedem Raum ein spezielles Thema zugeordnet ist. Eine „Geschichte“ also. Doch wie kann Fotografie und Skulptur zusammenpassen? Was mag die Geschichte dahinter sein?
Eugène Druets Fotografien sind mehr als bloße Dokumentation
Nun denn, diese Geschichte beginnt tatsächlich mit dem Erwerb jener Skulptur Rodins, der „Eva“, durch den damaligen Direktor des Hauses Friedrich Deneken. Jener war 1900 auch bei der Weltausstellung in Paris zugegen und dürfte die dort präsentierten Arbeitens Rodins – wahrscheinlich – gesehen haben. Arbeiten, die mit Titeln wie „Der Kuss“ zu Ikonen der Bildhauerei wurden. In diesem Rahmen kam es für den Museumsdirektor wahrscheinlich auch zu einer Begegnung mit den Fotografien von Eugène Druet. Denn Rodin stellte zusammen mit seinen bildhauerischen Werken auch 71 Fotografien des französischen Autodidakten aus. Fotos, die eben Rodins Skulpturen auf eine besondere – auch sehr ungewöhnliche Weise – inszenieren. Und dieser Zugang, dieses bisweilen enigmatische Spiel mit „Pose“, „Licht“ und Co. war zu jener Zeit, wenn es darum ging Bildhauerei zu fotografieren ein gänzlich ungewöhnlicher.
Wie auf dem im Raum ausgehängten Begleittext zu lesen ist, war das Verhältnis um die Jahrhundertwende zwischen Fotografie und Skulptur eindeutig definiert: „Die Aufnahmen sollen die Plastik dokumentieren, detailgenau und möglichst vollständig, rund herum.“ Druet aber brach mit dieser Praxis. In Zusammenarbeit mit Rodin lichtete er dessen Arbeiten sowohl im Atelier während ihrer Entstehung als auch im Rahmen von Ausstellungen oft in dramatischem Licht, expressiv ab. So, dass etliche der Skulpturen durch den zusätzlichen Filter der Fotografie fast so auf den Betrachter wirken, als wären sie lebendige, zumindest geisterhaft beseelte Wesen.
Doch zurück zu der Geschichte wie es zu der Paarung in diesem Raum kommen konnte – in dem Fotos sich so schön mit Rodin in Dialog setzen. Nachdem Direktor Deneken, der sich gewiss Beeindruckt von Rodins Werk gezeigt haben dürfte, nicht zuletzt durch das Live-Erlebnis auf der Weltausstellung, die Schenkung der Skulptur „Eva“ annahm, erwarb er Fotos von Druet. Ein Jahr später kauft der Direktor Arbeiten des Fotografen bei der Galerie Ernst Arnold, wie es im Begleittext zu dem Raum nachzulesen ist. So konnte er seinem Publikum die Kunst Rodins auf eindrückliche Weise inszeniert als Fotodokument zugänglich machen und sorgte dafür, dass wir heute einen großzügigen Atemzug Pariser Ästhetik genießen dürfen. Übrigens: Fotografie, seinerzeit absolutes Hightech, war seit der Eröffnung des KWM 1897 fester Bestandteil des Ausstellungsprogramms.