Langer Applaus für die Johannispassion in Hüls
Heinz-Peter Kortmann und das Rheinische Oratorienorchester präsentieren ein ausdrucksstarkes Konzert.
Hüls. Die Herausforderung Passionsmusik stellte sich für Georg Philipp Telemann (1681-1767) jedes Jahr neu, denn als Kantor an den fünf Hauptkirchen Hamburgs musste er stets zu Karfreitag eine neue Komposition zu diesem Anlass aufführen.
46 Passionsmusiken schrieb er im Laufe seiner Amtszeit (ab 1722) in der Hansestadt. 1745 komponierte Telemann die Johannespassion mit dem Titel „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld“. Dieses nicht so häufig gespielte Werk präsentierten am Sonntag zahlreiche Musiker unter der Leitung von Heinz-Peter Kortmann in St. Cyriakus.
In seiner Begrüßung hob Kortmann den besonderen Charakter dieses Werks hervor: „Es ist untypisch für Passionsmusik, denn auch Dank und Lob stecken darin und eine Trompete begleitet einen Jubelchor.“ Doch zunächst beginnt das Werk mit dem traurigen Duktus, den man mit einer Passionsmusik verbindet. Der erste Choral der Camerata Vocale dreht sich um das Titel gebende Thema dieser Komposition. Als Ersatz für den erkrankten Irfan Berilo hat Björn Köller (Bariton) kurzfristig den Part des Jesus übernommen. Dies muss man ihm wohl zugute halten, denn sein Vortrag lässt lange Dramatik, Spannung und die emotionale Tiefe in der Leidensgeschichte vermissen.
Die Rufe Jesu an seinen Vater kommen nicht einmal als Rufe herüber und die verzweifelte Lage wird geht in einem belanglosen Trauergesang unter. Wie gut, dass die Instrumentalisten des Rheinischen Oratorienorchesters mit ihrem Spiel Akzente setzen. Welch ein Kontrast ist da der Tenor Mark Heines in der Rolle des Evangelisten. So nuanciert und ausdrucksstark, wie er das biblische Geschehen nach dem Johannesevangelium vorträgt, fesselt er das Publikum.
Sein Vortrag besitzt in seiner Anschaulichkeit und Lebendigkeit schon den Charakter eines Hörspiels. Alexandra Bernd (Alt) lässt in ihrer Arie über einen Wanderer in der Nacht und im Unwetter an der vorgegebenen Stimmung auch keinen Zweifel. Auch die Gewissensbisse, die in ihrer Arie „Stirb dann ohne dein Verschulden. . .“ stecken, stellt sie in ihrer Interpretation deutlich heraus.
Die Sopranistin Christina Kühne präsentiert mit ihrer Stimme, die mühelos den großen Kirchenraum füllt, die Handlungen lebensnah. So übernimmt sie beispielsweise in einer Arie die Rolle einer echauffierten Zeugin des biblischen Geschehens, dann bietet sie auch eine einfühlsame Schilderung der Szene Jesu vor Pilatus. Die Rolle des Pilatus hat Ferdinand Junghänel (Tenor) übernommen. Doch er entspricht stimmlich nicht dem, was man traditionsgemäß mit der Rolle und Funktion dieser Person des römischen Statthalters verbindet. Überzeugend stellt der Chor in den Szenen um die Anklage und Verurteilung Jesu die aufgeheizte Stimmung im Volk dar. Eine starke Leistung bieten alle Beteiligten in den letzten Momenten des Gekreuzigten.
Bei den letzten Worten Jesu bringt Köller die Verlorenheit und das Traurige der Situation sehr gut zum Ausdruck. Bei den Worten „und verschied“ und der nachfolgenden Stille im Raum kann sich Gänsehaut beim Zuhörer entwickeln. Doch es bleibt weder bei der Musik noch ihrer Interpretation bei dieser düsteren Stimmung. Die beiden abschließenden Chöre dieser Johannespassion stellen das Positive des biblischen Geschehens für die Gläubigen heraus. Dank und Lobgesang mit Trompetenunterstützung schließen das Werk ab. Das Publikum bedankt sich nach den zwei Stunden Aufführung ohne Pause mit langem und stehendem Applaus.