Wiltrud Urselmann: Ein Espresso mit Schmeling

olympiaserie Wiltrud Urselmann und das ewige Duell mit ihrer Rivalin Anita Lonsbrough.

Krefeld. Olympische Spiele 1960 in Rom. Eigentlich hatte alles für Wiltrud Urselmann gesprochen. Der gerade 18 Jahre alt gewordenen Backfisch aus Krefeld war zuvor Weltrekord geschwommen, hatte bei der Ost-West-Olympiaausscheidung das Ticket locker eingelöst und im römischen Schwimmestadion "del Nuoto" den Vor- und Zwischenlauf ohne Mühe gemeistert.

Auf Startblock vier machte sich Urselmann am letzten Augusttag anno 1960 bereit. Bereit, die Goldmedaille zu gewinnen. Ihre ständige Rivalin über die 200-Meter-Bruststrecke, Anita Lonsbrough, nahm links daneben ihre Position ein.

"Ich wollte endlich den Fluch beenden, nie hatte ich Anita schlagen können." Und diesmal schien es endlich zu klappen. Urselmann begann furios, lag fast über die gesamte Strecke vorne, und dann passierte es doch wieder. Die Lonsbrough aus Yorkshire verkürzte den Rückstand, schwamm an Urselmann vorbei und schlug als Erste an. In neuer Weltrekordzeit (2:49,5 Minuten).

Den Makel, gegen die spätere Schwimmlehrerin auf ewig Zweite zu sein, konnte die Krefelderin auch bei den weiteren Duellen nicht abstreifen. "Ich weiß immer noch nicht, warum ich es damals nicht geschafft habe. Ich habe ja nicht versagt, sondern Silber geholt, und das ist für eine Sportlerin das Höchste der Gefühle."

Ob es an dem Manko lag, dass Urselmann immer nach Oberbruch/Heinsberg fahren musste, um in einem beheizten Freibad optimal trainieren zu können?

Reichtum brachte die Olympiateilnahme seiner Zeit nicht, aber sie öffnete Türen. Mit 18 Jahren war Wiltrud Urselmann bereits auf dem Höhepunkt ihrer sportlichen Laufbahn angekommen. Zwei Jahre später folgte auch das private Glück. Bei den Meisterschaften in den USA verliebte sich die Krefelderin in einen Schwimmer aus Duisburg. Den Wasserballer Hermann Haverkamp, einen wahren Bilderbuch-Athleten.

Hochzeit, später die Geburt ihrer Tochter Wibke. Vier Jahre nach Rom spielte Wiltrud Urselmann in der Weltspitze nicht mehr die ganz große Rolle. In Tokio 1964 verabschiedete sie sich bereits nach dem Zwischenlauf. "Die Luft war irgendwie raus", sagt sie heute, "ich war rund sieben, acht Jahre lang immer ganz oben."

Bereits mit 15 war die Krefelderin Deutschlands Sportlerin des Jahres und schwamm obenauf. Auf der Via Veneto in Rom lud die Box-Legende Max Schmeling sie zu einem Espresso ein, der frühere Weltklasse-Leichtathlet Charlie Kaufmann machte dem kessen Teenager Avancen. Urselmann warb für die Strumpfmarke "Nur die", zierte die Titelseite der Jugendzeitschrift "Rasselbande" und erhielt 1962 das Silberne Lorbeerblatt.

Jahrzehnte später sind sie und ihr Mann immer noch gern gesehene Gäste bei der Sportlerwahl in Baden-Baden. Und noch immer ist das Wasser ihr Element. Dreimal pro Woche tauchen die beiden in der Bayer-Traglufthalle am Waldsee unter, kraulen oder schwimmen rückwärts. 2000 Meter ohne Unterbrechung. "Ideal für die Wirbelsäule", sagt die frühere Weltrekordlerin und schmunzelt.

Dass das Krefelder Schwimm- idol der Moderne, Anne Poleska, in gut vier Wochen in Peking den Endlauf erreichen wird, davon ist Wiltrud Urselmann fest überzeugt. "Anne ist eine großartige, selbstbewusste Schwimmerin." Und bewältigt die Strecke fast eine halbe Minute schneller als Urselmann in ihrer Glanzzeit.

Poleska ist bis dato fünfmal Deutsche Meisterin geworden, Urselmann siebenmal in Folge. Ein Rekord für die Ewigkeit? "Das mag sein", sagt sie, "aber ich bewundere Anne, wie sie seit Jahren ihre Form hält, ja noch besser geworden ist. Sie ist eine Konstante. Ich glaube noch nicht so recht daran, dass sie nach den Olympischen Spielen aufhören wird. Sie ist im mer wieder meine Sportlerin des Jahres."