Martin Linne: „Ein Abriss des Stadthauses ist keine Alternative“
Martin Linne spricht mit der WZ über die Misere um das Stadthaus. Und zieht Parallelen zu Mies van der Rohes Bauten.
Krefelds Stadtplanungsdezernent Martin Linne ist mit der misslichen Situation rund um die gescheiterte Ausschreibung für die 70 Millionen Euro schwere Sanierung des Stadthauses nicht glücklich. Im WZ-Interview positioniert sich Linne eindeutig für den Denkmalschutz, aber auch für eine pragmatische Auslegung.
Herr Linne, die Ausschreibungsfrist für das Stadthaus ist abgelaufen, es gibt keinen Bewerber. Sind Sie schockiert oder haben Sie das erwartet?
Martin Linne: Die erste Stufe des EU-weiten Ausschreibungsverfahrens, der so genannten Teilnahmewettbewerb, ist zu Beginn des Jahres ohne ein konkretes Teilnahmeinteresse geblieben. Vor diesem Hintergrund hat die Verwaltung entschieden, gemeinsam mit den Fachberatern und dem Architekturbüro RKW kurzfristig ein „Markterkundungsverfahren“ mit elf renommierten Unternehmen, die die Unterlagen vom Server abgerufen haben, durchzuführen. Über eine schriftliche Abfrage und individuelle Gespräche wurde eruiert, welche Gründe letztlich für die Entscheidung der Unternehmen relevant waren.
Was bedeutet das jetzt für den weiteren Fortgang in der Causa Stadthaus? Abriss?
Linne: Auf der Grundlage der bisherigen Planung, den im Rahmen der Markterkundung erarbeiteten Erkenntnissen sowie darauf aufbauenden Gesprächen mit den Fachberatern, der Unteren Denkmalbehörde sowie Vertretern des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung wird aktuell ein Konzept zur Überarbeitung beziehungsweise Konkretisierung der Planung erstellt. Dann kann in Abstimmung mit den Ratsgremien die anstehende Entscheidung zum weiteren Vorgehen getroffen werden. Ein Abriss stellt — aus verschiedenen Aspekten heraus — keine realistische Alternative dar.
Welche Rolle spielt der Denkmalschutz bei diesem Eiermanngebäude und insbesondere für die Attraktivität für Investoren?
Linne: Das von Egon Eiermann geplante Stadthaus ist ein besonders exponierter Zeitzeuge der modernen, in vielen Details zukunftsweisenden Nachkriegsarchitektur. Es ist daher durchaus vergleichbar mit den Mies—van—der—Rohe-Bauten in Krefeld. Vor diesem Hintergrund spielen Aspekte des Denkmalschutzes eine besonders bedeutsame Rolle. Dies wurde im Rahmen der gesamten Planungsphase, zum Beispiel durch die Erstellung eines kleinteiligen Denkmalkatasters, intensiv berücksichtigt.
Und wo ist der Haken?
Linne: Mit der anstehenden Grundsanierung muss sichergestellt werden, dass das Gebäude alle heutigen und absehbaren arbeitsrechtlichen und -technischen Anforderungen sowie mit Blick auf die Zukunft der Verwaltung ausgerichtete funktionale sowie energetische Aspekte erfüllt. Hieraus resultieren durchaus Zielkonflikte im Vergleich zu einer konservatorisch ausgerichteten Sanierungsplanung, die zum Beispiel im Zuge der Sanierungen an der Häusern Lange & Esters praktiziert wurde und wird. Die potenziellen Baupartner haben im Zuge der Markterkundung sehr deutlich gemacht, dass aus einem Teil der denkmalfachlichen Zielsetzung ein zu hohes Durchführungs- und Finanzierungsrisiko resultiert.
Was bedeutet diese langfristige Verzögerung für die Umstrukturierung der Verwaltung und die räumliche Planung?
Linne: Die Realisierung der Umsetzung wird sich nach aktuellen Erkenntnissen um mindestens zwölf Monate, je nach Verfahrensfortgang aber auch länger verzögern. Somit muss auch die vorhandene Zwischenunterbringung der „ausgelagerten“ Verwaltung entsprechend verlängert werden. Die Umstrukturierung der Verwaltung wird hierdurch in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung jedoch nicht beeinträchtigt.
Was bedeutet dieses erfolglose Ausschreibungsverfahren finanziell?
Linne: Die Überarbeitung der Planung für die zweite Ausschreibung erfordert natürlich ergänzende Planungsmittel. Diese Planung ist von großer Bedeutung für die Umsetzung eines gleichermaßen den Denkmalschutz sowie die absehbaren Anforderungen der Zukunft berücksichtigenden und dabei möglichst „preisgünstigen“ Konzepts. Die bisherige Planung war aufgrund der — vor allem aus denkmalfachlichen Erwartungen resultierenden — Risiken für die Bau- und Finanzierungswirtschaft nicht interessant.
Bei Fertigstellung des Stadthauses bis zum ursprünglich geplanten Jahr 2021 darf die Stadt mit fast drei Millionen Euro Fördergeldern rechnen. Jetzt nicht mehr?
Linne: Tatsächlich sind jetzt mindestens Teile dieser Gelder in Gefahr.