Wirtschaft Messer: Mehr Platz für neue Technologien

Schweißen, ohne dass der Rauch die Arbeit einschränkt — das Unternehmen investiert eine halbe Million Euro in den Standort Krefeld.

Foto: Andreas Bischof

Vor mehr als 100 Gästen aus Politik und Wirtschaft stellte Gründerenkel Stefan Messer jetzt das neue europäische Kompetenzzentrum am K2-Tower vor. „Wir konzentrieren hier in drei Hallen Forschung und Entwicklung der Messer Group — fast wie es früher schon einmal unter dem Namen Messer Griesheim war“, blickte der Firmenchef in der dritten Generation auf die wechselvolle 120-jährige Firmengeschichte zurück. Zuletzt waren die Technika auf verschiedene Standorte in mehreren Ländern verteilt. Auch die regionalen Technika für Schutzgasschweißen an der Hochschule Niederrhein und für Kaltmahlen in Willich wurden jetzt an der Kleinewefersstraße integriert.

„Es ist eine Investition in die regionale Infrastruktur von rund einer halben Million Euro, aber auch in die Zukunft des Standortes Krefeld“, ordnet Stefan Messer das Engagement ein. Weltweit investiert die Gruppe in diesem Jahr einen Betrag, der 2018 höher als der des Vorjahres von 144 Millionen Euro liegen soll.

Der bisherige Krefelder Standort am Gahlingspfad mit mehr als 100 Mitarbeitern bleibt erhalten. Lediglich die dort beheimateten gut 20 Ingenieure und Techniker wechseln bei Bedarf ins neue nahegelegene Kompetenzzentrum für die Erprobung von Technologien für die Anwendung von Gasen in der Lebensmitteltechnik, in der Kältetechnik, für das Schweißen und Schneiden sowie in Chemie und Umwelt. „Zusätzlich zu den 3500 Quadratmetern am Standort Gahlingspfad haben wir in den gemieteten drei Hallen jetzt weitere 1400 Quadratmeter Fläche zur Verfügung“, sagt Davor Spoljaric.

Der Leiter der Anwendungstechnik machte deutlich, dass es eine traditionelle Stärke des Unternehmens ist, Gaseanwendungen gemeinsam mit den Kunden zu entwickeln, sei es im Technikum oder vor Ort. „Hierbei binden wir immer wieder Studenten der Hochschule Niederrhein ein und bilden sie in der Praxis aus.“

Bei einem Rundgang konnten sich die Festgäste von der Vielfalt und dem Nutzen der Gaseanwendungen überzeugen. An den Versuchsständen informierten langjährige Fachkräfte über traditionelle sowie neue Anwendungen. Wie man immer wieder auf neue Ideen kommt? „Man darf in unserem Job keine Vorurteile haben — geht nicht, gibt es nicht“, sagt Oliver Dietrich, der das Kaltmahlen und PVC-Recycling erklärt. Material, das nicht auf die Mülldeponie gehört, wird unter flüssigem Stickstoff abgekühlt, versprödet, zerkleinert und recycelt. Neueste Anwendung: die Wiedergewinnung von PVC aus Millionen Gartenschläuchen.

Thomas Böckler berichtet über das Erdreichgefrieren, mit dessen Hilfe Baugruben vor dem Eindringen von Grundwasser geschützt werden. Exotische neue Anwendung: Musikinstrumente wie Trompeten oder Golfschläger kommen vor Gebrauch in eine Kältekammer, weil Metalle dadurch ihre physikalischen Eigenschaften verändern und zum Beispiel die innere Spannung reduzieren. Auch die Leitfähigkeit von Zündkerzen wird so verbessert.

Gase werden laut Messer in allen Lebensbereichen gebraucht, etwa lebenserhaltend in der Medizin. Oder beim Frosten, Kühlen und Verpacken von Lebensmittel in geschützter Gasatmosphäre, was Haltbarkeit, Aussehen und Frische begünstigt. „Ob Kohlensäure oder flüssiger Stickstoff — beim Abfüllen von Getränken, beim Kühlen von Trauben oder beim Überlagern von Wein in Tanks sind Gase unverzichtbar“, sagt Frank Gockel.

Weitere Entwicklungen sind Kühlboxen mit verschiedenen Temperaturzonen für unterschiedlich lange Transportzeiten und Tankstellen für emissionsfreien flüssigen Stickstoff für Lkw-Kühlsysteme, die — in Logistikzentren installiert — Dieselfahrzeugen den Weg in die Stadt sparen. Bernd Hildenbrandt berichtet von neuen spritzerarmen Schweißschutzgasgemischen, die beim Schweißen die Rauchbildung und die teure Nacharbeit minimieren.

Stefan Messer ließ die wechselvolle Firmengeschichte Revue passieren und verschwieg nicht, dass das Unternehmen kurz vor dem Konkurs stand. Schließlich arbeiteten bei Messer in Krefeld bis um die Jahrtausendwende noch 800 Mitarbeiter in der damaligen internationalen Zentrale am Fütingsweg. Das Unternehmen geriet in den 90er Jahren unter der Regie eines familienfremden Managements in finanzielle Schieflage. Finanzinvestoren übernahmen zwei Drittel der Anteile vom Hoechst-Nachfolger Avensis, der früheren Muttergesellschaft. Die Familie Messer blieb mit einem Drittel Partner. Nach Umstrukturierung und Abbau von Schulden hat die Familie Messer die Investoren 2004 ausbezahlt und dies teuer mit dem Verlust des deutschen Kerngeschäfts bezahlt. Übriggeblieben sind viele Niederlassungen, speziell in Europa. Erst ab 2009 durfte Messer wieder am deutschen Markt aktiv werden. Und stieg auf wie Phönix aus der Asche: „Mit weit über zwei Milliarden Euro Investitionen haben wir die Messer Group wieder fit gemacht und den Umsatz von 520 auf 1232 Millionen Euro bis 2017 mehr als verdoppelt“, berichtet Messer nicht ohne Stolz und stellt seinen 32-jährigen Sohn Marcel vor. „Für die Familiennachfolge ist gesorgt.“