Mit Frau Hu ins Reich der Träume

Ohne Fachpersonal aus anderen Ländern wäre es im Gesundheitswesen zappenduster. Das hat unser Autor im Helios-Klinikum am eigenen Leib erfahren.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Frau Hu wirft mir einen fürsorglichen Blick zu und lächelt. „Ich bin Ihre Anästhesistin und begleite sie jetzt auf dem Weg in die Narkose“, sagt die Fachärztin aus Südostasien und streicht mir fast zärtlich das Operationshemdchen über die linke Schulter. „Sie sollen dabei doch nicht frieren“, höre ich sie noch sagen. Dann kommt die Dunkelheit.

Später, im Aufwachraum des Helios-Klinikums am Lutherplatz, höre ich einen älteren Mitpatienten, der offenbar aus Kasachstan stammt. Er soll Namen und Geburtsdatum nennen. „Ne ponemaju“ ächzt er, „ich verstehe sie nicht“. Kurz darauf die weibliche und sanfte Stimme: „Kak wasche Familia?“, wie ist ihr Name, „Den raschdenje? “, Geburtsdatum? Fast hörbar erleichtert die russischen Antworten auf die Kontrollfragen der grünbemützten Krankenschwester, die neben deutsch auch russisch spricht.

„Kopftuchmädchen“ hat sie ein umstrittener Autor abschätzig betitelt. Es sind viele junge Frauen, die mit ihren Kopftüchern Dienst auf verschiedenen Ebenen des Krankenhauses versehen. An dem Kopfschmuck sind sie als Migrantinnen erkennbar. An der Sprache nicht mehr. Sie kommen aus Oppum, Hüls oder Marxloh und präsentieren die dritte oder auch schon vierte Generation der Einwanderer, die einst als Gastarbeiter ins Land geholt wurden. Heute messen sie Puls und Blutdruck, operieren, wechseln Verbände oder hören sich geduldig Kummer und Sorgen der Patienten an.

In Angola oder Mosambique stand die Wiege unseres immer fröhlichen Krankenpflegers. „Ja“, lacht er breit, „eine Flasche Bier zum Abendessen ist okay, aber nur alkoholfrei.“ Aber er ist nicht nur ansteckend fröhlich, sondern auch hochkompetent. Wie seine Hände Wunden versorgen sowie reinigen und er dabei über die Fußball-Bundesliga plaudert, das ist bemerkenswert.

Oder der Gastroenterologe aus dem Kaukasus. Das ist nicht nur der Facharzt für Magen- und Darm-Beschwerden, der Internist. Natürlich ist er in erster Linie Arzt am Krankenbett. Unser georgischer Facharzt ist aber auch Ethnologe, Völkerkundler. Er erklärt uns zum Beispiel die Eigenheiten der Familiennamen seiner Heimat.

Die drei Hauptendungen „wili“, „adse“ und „idse“ lassen jeweils auf eine bestimmte Region in Georgien schließen, aus der der jeweilige Namensträger stammt. Kobiaschwili, der Fußballer, fällt dabei ein, oder Tschugaschwili für Stalin, Schewardnadse oder Gurgenidse für die zeitweiligen Präsidenten oder Premierminister der Kaukasusrepublik. Dabei steht der Georgier nur als ein Beispiel für Ärzte aus Bulgarien, Rumänien, Asien, Afrika oder der Türkei, die im Klinikum in einer Reihe mit ihren deutschen Kollegen eine wichtige Rolle im Gesundheitswesen spielen.

Auch die schlanke und bescheidene Frau aus Ostanatolien ist ein wichtiges Rädchen im Klinik-Betrieb. Sie macht, wie viele ihrer Landsfrauen, sauber. Das aber macht sie so effizient und fast schon elegant, dass es Spaß macht, ihr zuzusehen. Still, schnell und blitzblank. Sie spielt für den Genesungsprozess nicht die entscheidende Rolle, aber auch ihr kleines Lächeln, als sie die Zimmertür wieder schließt, ist dabei zumindest hilfreich.

In den Diskussionen der Fachwelt wird derzeit hauptsächlich die Frage behandelt, wie Zuzügler in unsere Gesellschaft vom deutschen Gesundheitswesen besser versorgt werden können. Mir aber drängt sich nach meinem knapp einwöchigen Aufenthalt im Helios die Frage auf, was unsere Gesundheitslandschaft wohl ohne diese Fachkräfte mit nichtdeutscher Herkunft machen würde.

Was wäre das Helios ohne Frau Hu, ohne die „Kopftuchmädchen“, ohne den Mann aus Georgien oder Angola? Zappenduster. Deshalb sind sie so wertvoll für uns alle und machen unsere Gesundheit und unsere Gesellschaft reicher.