Provisorium als Trostpflaster

Die Fertigstellung des neuen Ostwalls verzögert sich

Foto: Nanninga, Bernd (bn)

Die wärmenden Sonnenstrahlen machen das Hobby der Baustellenspechte angenehmer: Vor allem Männer sind es, die ausdauernd am Bauzaun stehen und stumm verfolgen, welche Fortschritte die Baustelle auf dem Ostwall macht. Sie werden dort auch den Hochsommer verbringen können, denn entgegen des ursprünglichen Zeitplans wird das Glasdach auf der ÖPNV-Haltestelle erst in den Sommerferien montiert — wenn denn jetzt alles gut geht.

Sprachlos macht einen auch die zurzeit mit rund vier Monaten kalkulierte Verzögerung. Der Zeitraum ist überschaubar, zumal die Verwaltung ihn zusätzlich kleinrechnet, indem der Ostwall zwischen dem Ende der Oster- und Beginn der Sommerferien für Fußgänger, Bus- und Straßenbahnpassagiere freigegeben wird. Eigentlich, so die Argumentation, würden nur die Autofahrer länger als erwartet ausgesperrt.

Nicht der Zeitraum also, wohl aber der angegebene Grund für die Verzögerung verschlägt einem die Sprache: Wie kann es sein, dass man erst kurz vor zwölf Uhr entdeckt, dass der Auftragnehmer das originelle Glasdach und seine Montage genehmigen lassen muss? Das ist zumindest befremdlich.

Am Ostwall nur vorübergehend den Schein der Normalität auszustrahlen, verursacht zusätzliche Kosten. Trag- und vertretbar, sagen die klamme Stadt und ihre Stadtwerke. Es ist der Versuch, die bestmögliche unter allen schlechten Lösungen zu wählen — und psychologisch nicht ungeschickt. Die Baustellenmüdigkeit ist groß — nicht nur bei den Händlern.

Bleibt zu hoffen, dass das Provisorium nicht zur Dauerlösung wird. Sollte die Genehmigungsbehörde Nachbesserungen verlangen, geriete der Zeitplan — Fertigstellung jetzt etwa Mitte Oktober — erneut in Gefahr. Nicht auszudenken, wie der Protest der Einzelhändler anschwillt, wenn das Provisorium zur Langzeitlösung wird.