Schluff: Er ist der Herr der Lokomotive (mit Video)
Jörg Singer steuert die „Graf Bismarck“ an der Spitze des Historischen Zuges Schluff. An seinem Arbeitsplatz ist es nicht nur eng, sondern gerade in diesen Tagen auch heiß.
Die Fahrgäste des Schluff stöhnen an diesem Hochsommertag quasi um die Wette. Das Thermometer hat die 30-Grad-Marke längst geknackt, im Zug ist es ganz schön warm, und von allen Seiten ist immer wieder der gleiche Satz zu hören: „Ist das heiß hier.“ Wer Glück hat, bekommt bei 30 Stundenkilometern ein wenig Fahrtwind um die Ohren gepustet. Die, die nicht an der Tür oder an einem offenen Fenster sitzen, müssen fächern oder sich mit einem kühlen Getränk erfrischen.
Während die Fahrgäste schwitzen, steht ein paar Meter weiter ganz vorn im Zug einer, der über die Wärme in den Waggons nur müde lächeln kann. Denn die Temperaturen, mit denen Jörg Singer zu tun hat, sind von einem ganz anderen Kaliber: Der 46-Jährige ist der Lokführer der „Graf Bismarck“, der Lokomotive des Schluff.
An Wintertagen ist es für ihn während der Arbeit angenehm warm, erzählt er. Aber an so Tagen wie diesem heute? Mit Sonnenschein und mehr als 35 Grad im Schatten? Da ist es unfassbar heiß im Inneren der Lok. Heiß und auch noch eng. Ein Thermometer hat der Lokführer nicht an seinem Arbeitsplatz. „Aber hier ist es locker mehr als 50 Grad warm“, ist der 46-Jährige sicher. Feine Schweißperlen auf seiner Stirn bestätigen sprechen dafür, dass er mit dieser Annahme Recht hat. Jörg Singer arbeitet in der engen Lok gemeinsam mit einem Kollegen, dem so genannten Heizer. Kohle schöppen muss der aber nicht, die Schluff-Dampflok wurde umgebaut und fährt längst mit Wasserdampf.
Vor jeder Abfahrt kontrollieren Jörg Singer und sein Kollege den Wassertank, in den acht Kubikmeter Wasser passen. Das Wasser wird mit Heizöl erhitzt, per Regler wird der Dampf anschließend auf die Kolben der Lok gedrückt. „Sobald wir einen Druck von sechs bar erreicht haben, können wir den Regler bedienen“, erklärt Jörg Singer. Dann kann die Fahrt losgehen.
Jörg Singer, Lokführer
Zeit, die ungewohnte Perspektive von der Schiene aus auf die Stadt, die Hülser Gärten und die Natur des Hülser Berges zu genießen, hat Jörg Singer während der 13,6 Kilometer langen Tour zwischen St. Tönis und dem Hülser Berg aber nicht. Zwar schaut der Lokführer immer wieder aus dem Fenster.
Das hat aber seine Gründe, erklärt der 46-Jährige. „Die Lok ist sehr breit“, sagt er. „Man hat schlechte Sicht, muss die Strecke aber immer im Blick behalten.“ Denn bei „nur“ 30 Stundenkilometern, die das historische Gefährt schnell ist, kommt so mancher Fußgänger, Radfahrer oder auch Autofahrer auf die Idee, sich noch kurz vor dem heranfahrenden Zug durchschlängeln zu wollen. „Andreaskreuze scheint in Deutschland kaum wer zu kennen oder zu beachten“, beobachtet der Lokführer immer wieder. „Und auch geschlossene Bahnübergänge halten einige nicht davon ab, noch zu fahren.“
Jörg Singer ist überzeugt: „Wenn wir nicht so genau aufpassen und die Strecke im Blick behalten würden, hätten wir beinahe bei jeder Fahrt einen Unfall.“ Damit das nicht passiert, reckt der Lokführer den Kopf immer wieder auf der einen Seite aus dem Fenster, der Heizer auf der anderen Seite. Aber auch die vielen Manometer, die im Inneren der Lok angebracht sind, müssen die Männer immer wieder kontrollieren. Und zwei Schaugläser auf beiden Seiten, die den Wasserstand anzeigen. Fällt der zu sehr, muss die Lok ausgemacht und nachgefüllt werden.
Nach der mehr als zweistündigen Fahrt von St. Tönis bis zum Hülser Berg und wieder zurück ist Jörg Singer fix und fertig. Die Hitze schlaucht halt doch. Schummrig geworden ist dem Lokführer aber noch nie, er hat sich an die hohen Temperaturen gewöhnt. „Im Sommer muss man darauf achten, dass man viel trinkt“, sagt er. „Und hier ist ja alles offen. Trotz der Hitze bekommen wir auch ein wenig Fahrtwind ab.“
Manchmal sogar auch ein stärkendes Bockwürstchen in der kurzen Pause am Hülser Berg. Das Team der Lebenshilfe, das den Barwagen bewirtschaftet, bringt dem Lokführer manchmal einen Snack in die Lok. Auf den Feierabend freut Jörg Singer sich jetzt aber trotzdem. „Auf eine Dusche“, sagt er. „Die muss jetzt sein.“