Stadthaus: 60 Jahre haben ihre Spuren hinterlassen
Spannende Architektur, aber auch unübersehbare Schäden: Ein Rundgang durch das Technische Rathaus.
Krefeld. „Es ist schon ein bisschen Wehmut dabei“, räumt Wolfgang Kritzler ein, wenn er an den bevorstehenden Auszug aus dem Stadthaus denkt. Der Leiter des Fachbereichs Kataster und Vermessung ist einer der Letzten, die noch im Technischen Rathaus arbeiten. Er ist schon so lange bei der Stadt, dass er den Umzug des Amtes vom Hansa-Haus hierher erlebt hat.
Fünf der sieben Fachbereiche sind bereits umgezogen. Im Mai/Juni ist auch sein Team an der Reihe. Ziel ist das Gebäude der Volksbank in der Innenstadt, die wiederum Anfang 2015 in ihren Neubau ziehen wird.
„Die noch verbliebenen Kollegen vermissen vor allem die Kantine auf dem Dach des Hochhauses“, weiß der Fachbereichsleiter. Nicht nur, weil es in der Umgebung des Konrad-Adenauer-Platzes nicht so viele Restaurants gibt. „Auch der Kontakt untereinander fehlt.“ Und die Aussicht: Wenn man dort oben in der rundum verglasten 9. Etage des Gebäudes steht, erschließt sich nicht nur die Schönheit der Umgebung mit den zahlreichen sich verfärbenden Bäumen, sondern auch die an Bauhaus-Traditionen anknüpfende Transparenz und Klarheit des von Architekt Egon Eiermann in den 50er-Jahren errichteten Gebäudes.
Auch Planungsdezernent Martin Linne gerät ins Schwärmen, wenn er von der Architektur des Schöpfers von Berlins Gedächtniskirche, Bonns Langem Eugen oder der Horten-Kachel spricht. So wünscht er sich zum Beispiel, dass der gläserne Aufzug in der Mitte des Gebäudes, der seit Jahren nicht mehr genutzt werden kann, wieder aktiviert wird. „Eine Idee, die erst in den 80er-/90er-Jahren wieder aufgegriffen wird, dass man die Technik sichtbar macht.“
Ebenso schwärmt Linne von den Treppen, die frei im Raum zu schweben scheinen, oder den Strahlern, die die Eingangshalle von unten beleuchten. „Dass man ein Gebäude auch durch ein Lichtkonzept in Szene setzen kann, ist erst wieder viel später in der Architektur aufgenommen worden.“
Linne kann sich vorstellen, die Kantine in das Erdgeschoss zu verlegen, damit sie auch den wunderschönen Außenbereich mitnutzen kann und so abends auch für Auswärtige nutzbar würde. Sein Ziel wäre zudem, durch eine bessere Nutzung der innenliegenden Flächen zusätzlichen Raum zu gewinnen. „Diese Bereiche dienten ja als Lager, hatten deshalb kein Tageslicht. Derzeit gibt es keine vernünftige Nutzung dafür. Wir müssen sehen, ob wir zusammen mit Denkmalpflege eine Lösung finden.“
All das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass 60 Jahre nicht spurlos an dem Gebäude vorübergegangen sind, das einstmals den Vereinigten Samtwebereien (Verseidag) als Lager und Bürohaus diente. Zwar hat die Stadt, die das Haus 1977 übernommen hat, den Brandschutz aktualisiert und eine Asbestsanierung durchgeführt. Aber selbst das hat Spuren hinterlassen. „Da man davon ausging, dass das Haus bald saniert wird, sind die Wände gar nicht erst wieder verputzt und gestrichen, Kabelkanäle an der Decke erst gar nicht wieder verschlossen worden“, erklärt Linne.
Drinnen wie draußen sind Kacheln abgefallen, der Putz bröckelt von den Wänden, die Einfachverglasung wird teilweise kaum noch vom morschen Kitt gehalten. Rollläden sind abgeblättert und hängen schief in den verrosteten Schienen. Im Kellergeschoss hat der Schimmel Einzug in die früher so praktischen Einbauschränke gehalten. Die Toiletten im Treppenhaus sind allesamt gesperrt. Ein Scherzbold hat von außen auf die Klotür den Aufkleber „Krefeld, schön hier“ gepappt.
Vor allem ist aber die Technik veraltet und marode. „Das einzige was bleiben darf, ist der Schiffs-Diesel im Keller, Baujahr 1980“, sagt Linne. Der dient als Notstromaggregat und funktioniert immer noch einwandfrei. Das Heizungssystem hingegen lässt sich nicht vernünftig regeln, so dass auch die Etagen, die längst leer stehen, immer noch mitgeheizt werden.
Der Aufzug wurde bis zur Stilllegung immer noch durch ein original Kamm-Relais aus der Erbauungszeit gesteuert. Faszinierend findet das Linne: „Aber heute ein Fall für das Deutsche Museum in München.“
Wolfgang Kritzler trägt die Widrigkeiten des in die Jahre gekommenen Stadthauses mit Fassung. Sein Fenster hält er mit einem Kantholz auf Kipp, weil die Heizung ja nicht zu regeln ist. Und von den offenen Leitungen in der Flur-Decke lenkt die kleine Ausstellung mit alten Vermessungsgeräten ab: „Die wird auch mit umziehen in die Volksbank“, sagt Kritzler.