Krefelder Geschichte Als Krefeld noch französisch war

Hüls · Pierre Sommet erinnert in einem Beitrag in „Die Heimat“ an eine Zeit, als die Grenze Frankreichs am Rhein lag.

Pierre Sommet ist Krefeld bekanntester Franzose. An der Volkshochschule leitete er viele Jahre den Fachbereich Fremdsprachen. Aktuell hat er einen Beitrag für „Die Heimat“ sowie ein Buch mit Kurzgeschichten veröffentlicht.

Foto: ja/Jochmann

. Im Gymnasium am Moltkeplatz wird am Dienstag mit einer Gedenkveranstaltung an die Unterzeichnung des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrages erinnert. Dieser wurde am 22. Januar 1963 zwischen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle geschlossen. Der „Traité de l´Elysée“ beendete die alte „Erbfeindschaft“ zwischen den beiden Nachbarländern und schuf die Grundlage für ein Europa ohne Krieg.

Gerade Krefeld eignet sich für ein solches Gedenken gut, denn immerhin handelte es sich dabei einmal um eine französische Stadt. Daran erinnert Pierre Sommet – der Hülser war lange Zeit Leiter des Fachbereichs Fremdsprachen an der Volkshochschule – in seinem jüngsten Beitrag zum Buch „Die Heimat“. Krefelds bekanntester Franzose erzählt darin vom „Umbruch und Aufbruch im Land zwischen Maas und Rhein“.

Es wird „todschick“,
Französisch zu sprechen

Auch bei Sommet geht es um einen Friedensvertrag, der allerdings schon am 9. Februar 1801 geschlossen wurde: Im lothringischen Schloss Lunéville wurde damals der Zweite Koalitionskrieg zwischen Frankreich und Österreich beendet. Das Oberhaupt des Heiligen Römischen Reiches, Kaiser Franz II, trat darin alle linksrheinischen Gebiete bis zum Rhein an die Französische Republik und ihren Ersten Konsul Napoleon Bonaparte ab.

„Crevelt“ wurde Hauptort eines Arrondissements, das zum „Département de la Roer“ (Ruhr-Département) gehörte. Oberverwalter und verlängerter Arm Napoleons, der sich 1804 zum Kaiser krönten ließ, wurde Baron Charles Francois de Ladoucette.

Ab 1801 war in Krefeld die Amtssprache Französisch. Die Alltagssprache bleib Deutsch, was laut Pierre Sommet dazu führte, dass französische Begriffe verballhornt wurden: Aus peu à peu (allmählich) wurde pö a pö, der Maire (Bürgermeister) wurde zum „Meyer“ – womit wir fast wieder in der Gegenwart wären – und bei den Adeligen war es todschick (tout chic, also ganz schick), die melodische Sprache des Nachbarns zu parlieren. In den Primär- und Sekundar-Schulen wurde Französisch nicht unterrichtet. Und Krefelds ältestes Gymnasium am Moltkeplatz wurde erst 1819 gegründet – und da hatten längst die Preußen das Sagen.

Zurück in die napoleonische Zeit. In den Krefelder Schulen herrschten laut Pierre Sommet um 1800 katastrophale Zustände: Unterrichtet wurde in dunklen Räume, in denen es Gestank und Ungeziefer gab. Die Lehrer bekamen Hungerlöhne. Das verbesserte sich erst ab dem 1. Mai 1802 durch ein neues Schulgesetz. Der ganz große Durchbruch war es wohl nicht. Noch 1807 berichtete das „Crefelder Wochenblatt“, dass die ärmeren Kinder von ihren Eltern frühzeitig aus der Schule abgezogen und an die Arbeit gesetzt wurden.

Andere Reformen hatten eine nachhaltigere Wirkung. So wurden die Zünfte aufgelöst, der Adel verlor seine Gutsherrenrechte, Rechtsgleichheit sicherte ab 1804 der Code Civil. Dieser bildete den Grundstein eines völlig neuen Justizapparates. Auch das Recht, sich scheiden zu lassen – ausschließlich zugunsten der Ehemänner – wurde eingeführt. Andere „Trennungen“ sorgten für das Ende von berüchtigten Räuberbanden: So wurde Mathias Weber, genannt „der Fetzer“, 1803 durch die Guillotine der Kopf vom Rumpf getrennt.

Von der Enteignung der Kirchen profitierten vermögende Seidenhändler wie Gottschalk Floh, von 1805 bis 1814 Krefelder Bürgermeister: Er erwarb 1806 daraus 170 Morgen des Bockumer Waldes, der seither Flohbusch genannt wurde.

1813 bereiste der Baron de Ladoucette das Land zwischen Maas und Rhein. Von Krefeld berichtete er in einem Brief: „Regelmäßig gebaut, kann man es als eines der schönsten Städte an den Ufern des Rheins ansehen.“ Ladoucette betont die „besondere Qualität“ der Seide. Sie führt dazu, dass „unsere schönen Pariserinnen für Kleider den leichten Samt aus Krefeld lieben, der für die Eleganz der Formen vorteilhaft ist.“ Arbeitszeiten von 13 Stunden täglich, sechs Tage die Woche in einer lärmigen Fabrik, all dies für einen kargen Lohn, bleiben laut Pierre Sommet im Bericht des Barons unerwähnt.

1804 besucht Kaiser Napoleon Krefeld. Er wohnte bei Bürgermeister Friedrich von der Leyen und schaute sich dessen Fabriken an. Zur Erinnerung wurde die Hochstraße in rue impériale (kaiserliche Straße) unbenannt. Nach dem Ende der französischen Herrschaft 1814 erhielt die Hochstraße ihren alten Namen rue royale (königliche Straße) wieder zurück.