Klein Österreich: Weiße Häuser, grüne Gärten

Klein-Österreich wurde einst von Einwanderern aus dem benachbarten Alpenland bewohnt. Noch heute erinnern die Straßennamen an diese Vergangenheit.

Krefeld-Fischeln. Ohne Zweifel bilden die Häuser hier eine Siedlung, denn sie sehen alle gleich aus — aber auch historisch original. Unter einer dünnen weißen Putzschicht sind die Backsteinmauern mühelos zu erkennen.

Die Dachform ist überall gleich, nur verschiedene Generationen von Dachfenstern und kleinen Gauben lassen sich unterscheiden. Typisch für die Häuser sind ihre hellgrau gestrichenen Fensterschlagläden.

Die vier Straßennamen dieser kleinen Siedlung auf Fischelner Boden, Tiroler Weg, Linzer-, Salzburger- und Innsbrucker Straße, lassen erahnen, weshalb man sie Klein-Österreich nennt. Die Wahl der Straßennamen hat etwas mit Heimatgefühl für die ersten Bewohner zu tun.

Damit wollte man den Arbeitern, die Ende der 30er Jahre aus Österreich, insbesondere von den Böhler Stahlwerken an den Niederrhein angeworben worden waren, ein bisschen Heimatgefühl vermitteln. Ihr neuer Arbeitgeber waren die Deutsche Edelstahlwerke AG.

„Ich hab’ hier eine traumhafte Kindheit erlebt“, schwärmt die 62-jährige Hannelore Kneps. Dabei wohnte sie eigentlich in der Siedlung Stahldorf; erst seit knapp drei Jahren hat sie eine Wohnung in ihrem Kindheitsparadies an der Linzer Straße. Aber damals hatte sie viele Verwandte und Freunde in Klein-Österreich, so dass sie die meiste Zeit hier ihre Narrenfreiheit genoss, wo „alles freies Feld“ war.

Daran erinnert sich ihre Nachbarin Anneliese Brinkmann auch noch gut. Da sie bereits 71 Lenze zählt sind ihr auch die Jahre des Zweiten Weltkriegs und danach in Klein-Österreich noch präsent.

Die ab 1936 erbauten Häuser wurden vom amerikanischen Militär beschlagnahmt, Soldaten zogen ein und die Familien mussten in Behelfsunterkünfte, zum Beispiel die Kabinen des nahen Freibads Neptun, umziehen.

Von Erzählungen der Älteren weiß sie noch, dass die amerikanischen Soldaten abends Tarnnetze über ihre Panzer und anderen Fahrzeuge legten, die sie in den Straßen von Klein-Österreich parkten. Das Haus, in dem sie nun seit 49 Jahren lebt, behandelten die Besatzer pfleglich, aber das war nicht überall in der Siedlung so.

„Ich kann mich auch nicht an Hunger nach dem Krieg erinnern, weil man hier die Gärten hatte“, erzählt sie. Außerdem wurden Kaninchen gehalten, die man schlachtete und entweder gleich aß oder das Fleisch einkochte. Aus den Fellen wurden für die Kinder Müffchen genäht, in denen man gut seine Hände wärmen konnte. „Opa züchtete hier Tabak, der dann auf der Wäscheleine getrocknet wurde“.

Die Gärten bestimmen auch heute noch das Bild der Siedlung. Aus einem dichten Grün scheinen die weißen Häuser herauszuwachsen. Unschwer ist zu erkennen, dass die einst großen Flächen in einzelne Parzellen aufgeteilt wurden — in so viele, wie Parteien in einem Haus wohnen. Ein buntes Mosaik an Gartenarchitektur, in dem Obst- und Gemüseanbau aber keine Rolle mehr spielen.

Für viele Ältere, wissen die beiden Damen zu berichten, waren die Gärten schließlich der Grund, Klein-Österreich zu verlassen. Ihre Pflege wurde ihnen im Alter zuviel. „Dann sind sie zur Remscheider Straße gezogen, wo man nur Balkons hatte“.

Für Hannelore Kneps ist das — noch — kein Thema, so wie sie sich in ihrem grünen Wohnzimmer gemütlich eingerichtet hat: „Als Oma stehe ich unter Naturschutz und will in einer denkmalgeschützten Siedlung wohnen!“