Archiv Ein Mann und sein Inrath-Archiv

Georg Rixen hat Inrath nie verlassen — und kann über den Stadtteil erzählen wie ein Lexikon. Und das auch dank seines umfassenden Archivs.

Krefeld. Wer weiß noch, dass an der Hülser Straße einst Wegezoll bezahlt werden musste? Oder dass es dort eine Flugzeugbaufirma gab, an der Motor- und Segelflugzeuge parkten? Dass es an der heutigen Hummelwiese früher so nass war, dass keine Hummel überlebt hätte?

Georg Rixen weiß das alles. Er hat die wohl einzige umfangreiche Sammlung über den Stadtteil Inrath. Der Sammler ist 86 Jahre alt. Er sieht nicht mehr gut, und das Hören fällt ihm auch schwer. Aber wenn es um Geschichte geht, arbeitet sein Kopf wie ein Lexikon. Ganz besonders dann, wenn er von „seinem“ Inrath berichten kann.

Rixen hat über Jahrzehnte ein Archiv in Wort und Bild angelegt, das den Betrachter staunen lässt. „Es ist meine alte Liebe zur Heimat, die mich sammeln lässt. Schon mein Leben lang“, berichtet Rixen. „Meine Vorfahren haben immer schon hier gelebt. Einer hat unter Napoleon gedient. Er ist 1876 gestorben.“ Eine umfangreichere Dokumentation über Inrath als seine gebe es nicht, da ist Rixen sicher. „Zuerst habe ich alle Zeitdokumente in einen Karton gelegt, es wurden immer mehr. Dann habe ich mir gedacht, wenn ich das Archiv einmal übergeben muss, findet keiner durch.“ Also fing er 2000 an zu sortieren, sich ein System und ein Gerüst auszudenken, damit die Nachwelt damit zurecht kommt. „Die ,Nachwelt‘ sind vielleicht mein Sohn Arno oder das Stadtarchiv“, sagt er.

Jetzt füllen Fotoblätter die Schubladen. Sie sind nummeriert und haben ihr Gegenstück als Erklärung dazu im Ordner. Ungezählte Wälzer stehen nebeneinander im Regal, das eine Wand füllt. „Sie sind beschriftet mit Inrather- und Hülser Straße, mit Kirchen, Schulen und Industrie oder Musik- und Gartenbauvereinen.“ Oft sind es Kopien, da die Eigentümer die Originale behalten wollen. Bei seinen Forschungen stieß er auf den Namen „Eynre/Eynren“, wie Inrath wohl früher bezeichnet wurde. „Es ist altgermanisch aus der Zeit 400 vor Christus.“

Über die Namensforschung hat er sogar mit der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen korrespondiert. Oft hat er auch im Stadtarchiv gesessen und recherchiert. Für seine Leidenschaft wälzte der umtriebige Mann stundenlang Urkundenbücher der Stadt aus dem 13. und 14. Jahrhundert, als es Inrath schon gab. „Das älteste Bild habe ich aus den Anfängen der Fotografie, Anfang des 19. Jahrhunderts. Es zeigt den Bereich um die St. Annakirche. Bei den Papieren ist eine handschriftliche Original-Urkunde auf Französisch — ein wahrer Schatz.

Georg Rixen kennt jede Ecke im Stadtteil und weiß viele Geschichten zu erzählen. Er erklärt, dass manche Straßennamen nicht gut recherchiert seien: „Das Kempener Feld trägt die falsche Bezeichnung, denn es liegt eigentlich hinter Hüls. Es müsste Benrader- oder Inrather Feld heißen.“

Auch sei die Straße im Neubaugebiet „Am Schleutershof“ nicht korrekt. „Schleuters war ein Zimmermann. Eine Hofanlage hat es dort nie gegeben.“ Aus der Geschichte der Hülser Straße berichtet er: „Sie war einst die alte Heerstraße nach Basel. Bestand aus Schotter und Sand. Damit sich dort keine tiefen Spurrillen bildeten, wurden Holzbündel ausgelegt, die die Fuhrwerke umfahren mussten. Das Holz wurde oft verlegt, so dass die Bauern immer einen anderen Weg nehmen mussten.“

Ohne Wegezoll oder Barrieregeld sei niemand dort weit gekommen, berichtet Rixen. „Wer die älteste Hülser Straße benutzen wollte, musste Am Schützenhof und dort, wo heute der Niederrheinische Hof ist, einige Pfennige an die preußische Bezirksregierung abdrücken. Die frühe Form der Maut.“