Handzettel Netzwerk nebenan.de mischt Nachbarschaft auf

Bürgerverein Kliedbruch distanziert sich aus Sorge um Verwechslung von Onlineplattform. Deren Gründer verteidigen Geschäftsmodell.

Foto: A. Bischof

Krefeld. Sie suchen nach Mehl für den Kuchen, einem Tipp für den besten Friseur in der Umgebung oder nach Kontakt zu Nachbarn. In Berlin und München, Düsseldorf — und eben in Krefeld. Eine Gruppe von Anwohnern vom Gahlingspfad und der Hülser Straße etwa will mithilfe von in der vergangenen Woche im Kliedbruch verteilten Handzetteln „ihre Nachbarn besser kennenlernen und die Gemeinschaft untereinander stärken“ (die WZ berichtete). Als Plattform nutzen sie die Website nebenan.de — ein soziales Nachbarschaftsnetzwerk, hinter dem das Start-up-Unternehmen Good Hood GmbH aus Berlin steckt.

Bei den Mitgliedern des Bürgervereins Kliedbruch sorgen die Handzettel vor allem für eines: Misstrauen. Weil die Wortwahl merkwürdig sei und darauf nur Vornamen stünden, so der Vorsitzende des Bürgervereins, Peter Gerlitz. „Wer sich gut auskennt, der weiß auch, dass der Gahlingspfad nicht zum Kliedbruch gehört.“ Gerlitz vermutet: „Dieses Unternehmen sammelt Daten von Menschen auf lokaler und regionaler Ebene und erhofft sich ein profitables Geschäft.“

Fest steht: Die Bürger, die laut Handzettel „einfach und unkompliziert“ mit ihren Nachbarn im Kliedbruch „in Verbindung treten“ wollen, sind bei nebenan.de registriert. Schon als sie sich dort angemeldet habe, sei sie gefragt worden, ob sie selbst Nachbarn in das Netzwerk einladen wolle, oder ob das Unternehmen in ihrem Namen Einladungen in der Nachbarschaft verteilen dürfe — sie habe zugestimmt, erklärt die Nutzerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Am Mittwoch vergangener Woche seien dann die Handzettel im Kliedbruch verteilt worden, bestätigt Ina Brunk, Mitgründerin des Berliner Start-ups. „Die Nachbarschaft ist eine wichtige Säule unseres Soziallebens. Auffällig ist, dass immer mehr Bürger niemanden aus ihrer Nachbarschaft kennen, sie ist ins Hintertreffen geraten.“ Mit nebenan.de wolle man das ändern. Die Anmeldung sei für Privatpersonen kostenlos. „Kontakt zur Nachbarschaft kann man auf vielen Wegen herstellen — der Weg über den Bürgerverein ist einer“, sagt Brunk. „Der Weg über eine Plattform wie unsere ist der andere. Das eine wird das andere auch nicht ersetzen können oder wollen.“

Die Vorwürfe des Bürgervereins — „wenn es nichts kostet, dann ist der so genannte Nutzer das Produkt. Mit anderen Worten, es werden Daten gesammelt und verkauft“ — will Brunk entkräften: Als in Deutschland gegründetes soziales Netzwerk unterliege nebenan.de — anders als Facebook und Co. — deutschen Datenschutzbestimmungen. Für mehr Transparenz im Netz lasse man sich von einem unabhängigen Datenschutzbeauftragten beraten. „Die Daten unserer Nutzer werden nicht an Dritte verkauft. Das ist nicht der Weg, den wir gehen wollen.“ Weder jetzt, noch in Zukunft, betont Brunk.

Von nichts kommt aber nichts. Daran haben auch die Erfinder des Nachbarschafts-Netzwerks bei der Gründung ihres Unternehmens — einer GmbH — gedacht: „Nebenan.de ist ein Sozialunternehmen, das sich langfristig selbst refinanzieren möchte, für das Gewinnmaximierung aber nicht an erster Stelle steht“, sagt die Mitbegründerin. „Momentan verdienen wir überhaupt kein Geld.“ Stattdessen werde man finanziell von Privatpersonen und anderen Investoren, etwa dem Burda Verlag, unterstützt.

Der Kliedbrucher Bürgervereins-Vorsitzende hält dagegen: „Eine GmbH verschenkt nichts.“ Im Gegenteil, sie müsse „den Investoren Gewinne ausschütten und den Angestellten Gehälter zahlen. Woher also kommt das Geld?“ Auf lange Sicht wolle man mit dem Netzwerk nicht nur Privatpersonen erreichen, sondern auch lokale Händler und Dienstleister, die auf nebenan.de werben, erklärt Brunk.

Ein Geschäftsmodell, von dem sich der Bürgerverein Kliedbruch distanzieren will. Dahinter steckt vor allem die Sorge vor Verwechslung, betont Gerlitz: „Wir vertreten Interessen der Anwohner gegenüber Politik und Verwaltung als gemeinnütziger Verein — fern von Geschäftsnutzen. Es ist wichtig, dass wir das bewahren.“