Krefeld Ferienaktion im "Spiedie": Die Welt in 60 Jahren

Krefeld. Blecherne Klänge hallen über den Hof des Spielhauses Dießem, kurz Spiedie. Etwa 20 Kinder spielen, basteln, malen, bauen. Unter Pavillons werden Papp-Roboter zusammengeklebt und Minigärten in Flaschen angelegt, am Zukunftsbaum wehen hunderte Wunschzettel.

Tim, Mitarbeiter Markus, Denise, Sina sowie Isabella und Adriana (sitzend, v.l.) sind im Roboterzeitalter angekommen.

Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Aber was sind das für seltsame Geräusche? „Na, die machen Zukunftsmusik“, erklärt Einrichtungsleiter Helmut Boeck.

„Morgen schon“ heißt die Ferienaktion, die noch bis Mittwoch, 27. Juli, läuft. Bis dahin planen Kinder ab acht Jahren in Werkstätten, wie es weitergehen soll mit der Welt und dem eigenen Leben. Auch für das Spiedie stehen Veränderungen an. Helmut Boeck, der von allen nur Helle genannt wird und der das zum Werkhaus gehörende Kinder- und Jugendzentrum mit aufgebaut hat, wird im November 2017 in Rente gehen. 18 Jahre lang hat er das Spiedie geleitet, kennt hier jeden Stein.

„Mittlerweile bringen Mütter ihre Kinder her, die früher selbst hier gespielt und auf der Bühne Lambada getanzt haben.“ Sorgen macht er sich nicht: „Wir blicken mit Zuversicht in die Zukunft. Wahrscheinlich ist der neue Leiter nicht wie ich Handwerker, aber dafür ist die junge Generation Sozialarbeiter ungeheuer kreativ.“

Kreativität wird notwendig sein, um das Spiedie am Leben zu halten. „Eigentlich zahlt das Jugendamt 90 Prozent eines gedeckelten Betrags, um die Kosten für alles hier zu decken. Allerdings ist diese Summe seit ungefähr 15 Jahren nicht erhöht worden“, sagt Boeck. Die laufenden Kosten hätten sich sehr wohl jährlich erhöht. „Reell sind es 20 bis 25 Prozent, die wir durch Spenden aufbringen müssen.“ 60 bis 80 Kinder schauen an einem normalen Tag im Spiedie vorbei. Davon, dass es in einem Problemviertel liegt, will Boeck nichts wissen: „Die ganze Krefelder Innenstadt gilt als sozialbelastet. Ich denke immer, Kinder sind Kinder.“

Tim und Adriana wohnen in der Gegend und kennen das Haus seit Jahren. In der Zukunftswerkstatt spielen sie Theater und überlegen, wie das Jahr 2076 wird. Zu jedem Buchstaben aus „ZUKUNFT“ haben sich die Kinder der Theatergruppe ein Schlagwort überlegt. Zeitreise, unvorhersehbar, Knast. „Da wollen wir nicht landen“, erklärt Denise. Es geht um große Themen: Umwelt, Eigenverantwortung, Tod. „Aber die Szene mit dem Tod wird lustig“, beeilt sich Isabella zu versichern. Damit keiner Angst haben muss. Die Zwölfjährige hat schon ziemlich konkrete Vorstellungen, wie ihr Ableben verlaufen soll: „Ich möchte einfach tot vom Pferd fallen“.

Vorher möchte sie aber Professorin werden. In der Zukunftswerkstatt ist alles möglich. „Wir möchten hier für die Kinder eine besondere Atmosphäre schaffen, eine Art andere Welt“, erklärt Helmut Boeck. „Die Kinder machen hier, was sie mögen und worin sie gut sind.“ Lieder werden geschrieben, Planeten bemalt, die ersten technischen Zeichnungen hängen schon, für eine Aufräummaschine zum Beispiel.

Ein fliegendes Fahrrad gibt es auch und der Kleiderschrank der Zukunft gibt morgens vollautomatisch die passende Kleidung raus. Alle scheinen zufrieden, aber ist der Erfolg messbar? „Wenn sie wiederkommen, hat es ihnen gefallen“, sagt Boeck.